Heidelberg, 25 Jahre nach Rio: Global denken, lokal handeln

Die Umweltkonferenz hat die Stadtentwicklung spürbar beeinflusst

Die erste Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung fand im Jahr 1992 in Rio de Janeiro statt. Die Konferenz verabschiedete damals die „Agenda 21“. Wichtigste Akteure für die Umsetzung sollten die Kommunen sein. Die Impulse von Rio haben auch die Heidelberger Stadtentwicklungspolitik stark beeinflusst. 

Unter dem Motto „Rio verhandelt – Heidelberg handelt“ startete die Stadt Heidelberg damals ihre Klimaschutzkampagne. Grundlage war das bereits vorhandene Klimaschutzkonzept – eines der ersten in Deutschland. Rio gab einen sehr starken Anstoß, den lokalen Klimaschutz und die nachhaltige Kommunalpolitik zu intensivieren. Der 1997 verabschiedete Stadtentwicklungsplan ist heute noch der Maßnahmenkatalog, der die Richtung vorgibt hin zu einer nachhaltigen und damit zukunftsfähigen Kommune. Seit 1992 hat sich Heidelberg zu einer der erfolgreichsten 
Städte im kommunalen Klimaschutz entwickelt. Ziel des aktuellen Klimaschutzkonzeptes „Masterplan 100 % Klimaschutz“ ist die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 (www.heidelberg.de/masterplan100).

OB Prof. Dr. Würzner: „Klimaschutz sollte zum selbstverständlichen Bestandteil unserer Entscheidungen werden“

Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner setzt sich konsequent für den Klimaschutz ein. Seit 2006 ist er Vorsitzender des europäischen Netzwerks „Energy Cities“. Zu der Frage nach den Herausforderungen, die auf die Kommunen in den nächsten 25 Jahren warten, sagt er: „Nachhaltigkeit und Klimaschutz muss bei den Menschen ankommen. Klimaschutz sollte zum selbstverständlichen Bestandteil unserer Entscheidungen im privaten Bereich, im Arbeitsleben und in der Politik werden. Die Kommunen und die Regierungen müssen hierfür die Voraussetzungen schaffen. Dazu gehören: regenerative Energieversorgung. Energieeffizienz, Anreize für Sanierungen und Neubau. Nur wenn viele lokal und national handeln, kann sich global etwas ändern.“

Heidelberg – Vorreiter in Sachen Klimaschutz

Klimaschutz und Nachhaltigkeit wurden integraler Bestandteil der Stadtentwicklung. Ob Stadtplanung, Verkehrsplanung oder Abfallverwertung – alles städtische Handeln muss seither auf Nachhaltigkeit geprüft werden. Eine Auswahl Heidelberger Klimaschutz-Projekte:

  • Bahnstadt: weltweit größte Passivhaussiedlung. Mit der Bahnstadt hat Heidelberg ein Klimaschutzprojekt mit internationalem Vorbildcharakter auf den Weg gebracht: Für den gesamten Stadtteil und für alle Gebäudetypen gilt der Passivhaus-Standard. Der verbleibende, minimale Heizenergiebedarf wird durch Fernwärme gedeckt, vollständig erzeugt aus regenerativer Energie durch ein neues Holzkraftwerk in der Nachbarschaft. Auf dem Areal entsteht ein funktionsgemischter Stadtteil mit Raum für Wohnen, Wissenschaft und Gewerbe. 
  • Ausbau der Straßenbahn. Die Stadt investiert viel in Alternativen zum Autoverkehr. Nachdem bundesweit jahrzehntelang Straßenbahn-Trassen stillgelegt wurden – auch in Heidelberg –, baut die Universitätsstadt jetzt ihr Straßenbahnnetz aus. Derzeit sind im Rahmen des „Mobilitätsnetzes“ drei Projekte parallel im Bau. Investitionsvolumen: mehr als 60 Millionen Euro. Ziel: täglich 10.000 Fahrgäste mehr, davon 7.000 bisherige Autofahrer.
  • Förderung regenerativer Energie: Dezentrale, erneuerbare Energien sind ein maßgeblicher Baustein in der Energiewende. Heidelberg baut daher die Eigenerzeugung auf Basis von erneuerbaren Energien konsequent aus und erweitert zudem das Fernwärmenetz kontinuierlich. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärme beträgt aufgrund des 2014 eingeweihten Holz-Heizkraftwerk sowie mehrerer neuer Biomethan-Blockheizkraftwerke inzwischen rund 20 Prozent. Der Energie- und Zukunftsspeicher der Stadtwerke Heidelberg, der kurz vor dem Baustart steht, wird den Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmesektor weiter erhöhen.
  • Radstadt Heidelberg. Heidelberg verfügt über ein dichtes Radwegenetz. Jeder dritte Heidelberger nutzt das Fahrrad – ein Anteil, den bundesweit nur noch wenige Radfahr-Hochburgen wie Münster oder Freiburg erreichen. Damit ist das Fahrrad innerstädtisch das beliebteste Fortbewegungsmittel in Heidelberg. Eine optimale Anbindung garantiert dabei das Heidelberger Radwegenetz, das zurzeit 120 Kilometer umfasst und das weiter ausgebaut wird, unter anderem durch Radschnellwege und Radachsen über den Neckar.
  • E-Teams: Beim E-Team-Projekt setzen sich Kinder und Jugendliche seit 1995 im Schulalltag mit Themen der Nachhaltigkeit auseinander. Ein Prämiensystem honoriert jedes Jahr erfolgreiche Aktivitäten. Zu Beginn des Projektes stand das Energiesparen im Vordergrund, in den vergangenen Jahren wurde es umfassender auf „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgeweitet. Dabei geht es etwa um nachhaltigen Konsum, fairen Handel, umweltbewusste Mobilität oder Abfallvermeidung.
  • Nachhaltiges Wirtschaften: Seit 2001 unterstützt die Stadt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ein Umweltmanagementsystem einzuführen. Seit Beginn des Projekts haben sich 135 Betriebe mit zusammen mehr als 9.000 Beschäftigten beteiligt. In den ersten zehn Projektphasen konnten so jährlich mehr als 2.000 Tonnen CO<sub>2</sub> eingespart werden. Diese Menge fällt durch den Stromverbrauch von über 700 Vier-Personen-Haushalten an. Die Betriebskosten sanken um insgesamt 1,2 Millionen Euro jährlich. 
  • Nachhaltig genießen – bio.regional.fair: Mit dem Kauf ökologischer und regional erzeugter sowie fair gehandelter Lebensmittel hat jeder Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung. Um dies zu unterstützen, hat die Stadt 2016 beispielsweise einen speziellen Einkaufsführer herausgegeben. Sie unterstützt zudem zahlreiche Veranstaltungen, etwa den Runden Tisch bio.regional.fair oder bei der Fairen Woche, an denen Interessierte teilnehmen können. Die Stadt berücksichtigt Nachhaltigkeit außerdem bei öffentlichen Ausschreibungen in vielen Bereichen, zum Beispiel bei Bio-Produkten in der Kita- und Schulverpflegung oder der Beschaffung von Pflastersteinen aus fairer Produktion.
  • Elektromobilität. Heidelberg unterstützt die Nutzer von Elektrofahrzeugen. Gemeinsam mit ihren Stadtwerken sorgt die Stadt beispielsweise für Stromtankstellen in Parkhäusern und zahlt Prämien für die Anschaffung von Elektro-Autos. Ein neues Stadtquartier auf dem ehemaligen Kasernengelände Patton Baracks soll von vornherein mit Ladestationen an Straßenlaternen ausgestattet werden. Noch weiter gehen die Visionen für die künftige Nachnutzung des ehemaligen US-Areals Patrick-Henry-Village: Dort möchte die Stadt auch Angebote zum autonomen Fahren mit umweltverträglichen Fahrzeugen etablieren.
  • Luftreinhalteplan für Heidelberg. Im März 2006 trat der Luftreinhalteplan für Heidelberg in Kraft. Wichtigste Maßnahme war die Einrichtung einer Umweltzone. Freie Fahrt haben seit Januar 2013 in der Umweltzone Heidelberg nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette. Der Erfolg ist messbar: 2016 zeigte die Überprüfung eine jüngere Fahrzeugflotte und eine deutlich bessere Luftqualität, die jedoch auch der guten Durchlüftung der Stadt und dem vergleichsweise geringen Anteil des Schwerlastverkehrs geschuldet ist. Der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid, einem sehr umwelt- und gesundheitsschädlichsten Bestandteil von Autoabgasen, wurde nur noch knapp am Messpunkt Mittermaierstraße überschritten. Laut einer aktuellen Prognose im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe wird der Grenzwert ab 2019 dauerhaft und flächendeckend im gesamten Stadtgebiet eingehalten. 
  • Energieverbrauch städtischer Gebäude. Die Stadt geht mit gutem Beispiel voran: Durch energetisches Bauen und Sanieren konnte sie den Energieverbrauch in städtischen Gebäuden bis heute um 57 Prozent verringern. Das spart jährlich rund 24.000 Tonnen CO<sub>2</sub> im Vergleich zu 1993 ein. Umgerechnet auf Kilometer entspricht das 3.500 Umrundungen des Äquators mit einem Auto. Die kommunalen Liegenschaften werden zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt.
  • Biologische Vielfalt: Mit dem Artenschutzplan und Artenschutzprogrammen soll die Vielfalt der Arten und Biotope – insbesondere in ausgewählten Bereichen – durch gezielte Maßnahmen erhalten und gefördert und ihre Entwicklung wissenschaftlich begleitet werden. Das Ziel dieses Vorhabens ist die Umsetzung des internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Rio 1992) auf kommunaler Ebene.
  • Biotopvernetzung und Biotoppflege: Mit der Biotopvernetzung strebt die Stadt den Aufbau eines Systems naturnaher oder extensiv genutzter Flächen an, um noch vorhandene verstreut liegende Biotope aus der Isolation herauszuholen und miteinander zu vernetzen. Auf diese Weise kann die Ausbreitung von Pflanzen- und Tierarten ermöglicht und gefördert werden, und der Genaustausch zwischen isolierten Populationen wird wieder möglich. Mit den Landwirten werden Verträge zur Pflege dieser Vernetzungselemente wie Hecken, Buschgruppen, Grünland oder Obstwiesen abgeschlossen.
(Erstellt am 20. November 2017)