Clemens-Brentano-Preis 2019

Gianna Molinari für Debütroman "Hier ist noch alles möglich" ausgezeichnet

Gianna Molinari und Bürgermeister Dr. Joachim Gerner bei der Preisverleihung
Bürgermeister Dr. Joachim Gerner überreichte Gianna Molinari die Urkunde zum Brentano-Preis. (Foto: Rothe)

Für ihren Debütroman „Hier ist noch alles möglich“ (Aufbau Verlag, 2018) hat Gianna Molinari den mit 10.000 Euro dotierten Clemens-Brentano-Preis für Literatur der Stadt Heidelberg erhalten. Die Schweizer Schriftstellerin nahm die Auszeichnung am 17. Juli 2019 im Rahmen einer Feierstunde aus den Händen von Kulturbürgermeister Dr. Joachim Gerner im Spiegelsaal des Prinz Carl in Heidelberg entgegen.

„Meisterin skurriler Verdichtung“

Die Jury hatte die Entscheidung für Molinari im April dieses Jahres gefällt. In der Jury-Begründung heißt es: „Eine alte Fabrik. Eine junge Nachtwächterin. Ein Wolf. Daraus entwickelt Gianna Molinari eine so verknappte wie rätselhafte Geschichte. Der um sich greifende Sicherheitswahn der Gegenwart, die Angst vor dem Fremden, Grenzziehungen realer und metaphorischer Art – all das hat Raum, obwohl der Roman wie ein Kammerstück konstruiert ist. Gianna Molinari erweist sich mit ihrem Debüt als eine Meisterin skurriler Verdichtung.“

Leser werden zu Entdeckern

Laudatorin Manuela Waeber. (Foto: Stadt Heidelberg)
Die Laudatio auf Gianna Molinari hielt die Schweizer Lektorin Manuela Waeber. (Foto: Stadt Heidelberg)

Laudatorin Manuela Waeber würdigte Molinaris Roman als Montageroman mit raffiniertem Arrangement unterschiedlicher Teile, der die Leserinnen und Leser zu Entdeckerinnen und Entdeckern macht, die diese Teile zusammenfügen und weiterdenken. „Mit ihrem Schreiben wirkt Gianna Molinari dem Verschwinden entgegen, sie legt den Fokus auf die Wiedergewinnung der Erinnerung. Sie bewegt sich zwischen den Lebenden und den Toten, Vergangenheit und Gegenwart, Dokumentation und Fiktion sowie Schweigen und Erzählen“, sagte Waeber.

Aufforderung zur eigenen Standortbestimmung

Kulturbürgermeister Dr. Joachim Gerner lobte Molinaris Roman als eine Aufforderung zur eigenen Standortbestimmung: „Der Roman handelt von Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen, dem Einlassen und dem Ausgrenzen, ohne den Leserinnen und Lesern eine detaillierte Interpretation dieser Begriffe an die Hand zu geben. Er fordert uns zur eigenen Reflexion auf in einer Zeit, in der eine eigene Standortbestimmung und das Eintreten für den eigenen Standpunkt und die persönlichen Überzeugungen vielleicht wichtiger denn je geworden sind.“

Gerner verwies auf die Besonderheit des Heidelberger Literaturförderpreises: Deutschlandweit einzigartig sei, dass professionelle Literaturkritiker und Studierende als gleichberechtigte Jurymitglieder auf Augenhöhe miteinander diskutierten. In diesem Sinne fördere der Preis nicht nur die Autorinnen und Autoren. Einmal mehr zeige sich die enge Bindung von Stadt und Universität gerade im Bereich der UNESCO-Literaturstadt-Aktivitäten.

Ein Glücksfall

Der Preis sei für Sie ein „Glücksfall“ sagte Preisträgerin Gianna Molinari, der ihrem Text Sichtbarkeit schenke, ihr Mut mache und Raum und Zeit gebe fürs Weiterschreiben.

Gianna Molinari wurde 1988 in Basel geboren und lebt in Zürich. Sie studierte von 2009 bis 2012 Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut Biel und im Anschluss Neuere Deutsche Literatur an der Universität Lausanne. Molinari war Stipendiatin der Autorenwerkstatt Prosa 2012 am Literarischen Colloquium Berlin und erhielt im selben Jahr den Preis sowie den Publikumspreis des 17. MDR-Literaturwettbewerbs. Beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt gewann sie 2017 den 3sat-Preis. 2018 stand „Hier ist noch alles möglich“ auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis, war für den Schweizer Buchpreis nominiert und wurde mit dem Robert-Walser-Preis ausgezeichnet.

(Erstellt am 12. April 2019)