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Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2016 der Stadt Heidelberg an Edgar Hilsenrath verliehen

Der Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2016 der Stadt Heidelberg ging an den deutsch-jüdischen Schriftsteller Edgar Hilsenrath. Die Auszeichnung wird alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren. 

Edgar Hilsenrath bei der Preisverleihung am 22. November 2016 (Foto: Philipp Rothe)

Der Preis wurde am 22. November 2016 im Großen Rathaussaal durch Bürgermeister Dr. Joachim Gerner an Edgar 2016 an Edgar Hilsenrath überreicht.
In der Begründung der Jury heißt es: „Mit Edgar Hilsenrath ehren wir einen Schriftsteller, dessen Lebenswerk der Erfahrung von Exil in literarisch einzigartiger, kühner Weise Ausdruck verliehen hat. Seine Romane, getrieben von einer düster-schwarzen Phantasie, sind Versuche, das Grauen, das Menschen anderen Menschen antun, in Formen der Groteske erzählbar zu machen. Der Ort seines Erzählens ist das Lachen, das einem im Halse stecken bleibt – zwischen Zynismus, Trauer und Selbstbehauptung.“   

Susanna Amirkhanyan schloss ihre Laudatio auf den Preisträger mit den Worten: "Vor vielen Jahren fing ich an, Deutsch zu lernen, und las eines Tages den Roman "Das Märchen vom letzten Gedanken". Ich verschlang mehr als 600 Seiten in einer Nacht, ohne ein einziges Mal das Wörterbuch aufzuschlagen. Am Morgen stellte sich mir die Frage, ob ich das Buch nicht in Armenisch gelesen hatte. Ich hatte einen Autor entdeckt, der in seinem Meisterwerk dermaßen gezaubert hatte, dass ich die armenische Sprache hörte und armenische Gesichter sah. Alles war armenisch: armenisches Denken, armenische Liebe, armenisches Vermissen, armenische Trauer, aber am meisten armenischer Stolz. Dank Edgar veränderte sich meine Meinung über das Leben, ich lernte die Menschen durch gut und böse zu unterscheiden, und nicht durch Nation oder Religion. Mit seiner Liebe zur deutschen Sprache steckte er mich an. Vielen Dank, dass es Dich gibt, lieber Edgar!"

Edgar Hilsenrath war ein deutsch-jüdischer Schriftsteller, dessen Themen die Judenverfolgung und der Holocaust, aber auch der Völkermord an den Armeniern sind. Zu seinen Hauptwerken zählen die Groteske „Der Nazi & der Friseur“ sowie die Romane „Nacht“ und „Das Märchen vom letzten Gedanken“. Hilsenrath wurde 1926 als Sohn eines Kaufmanns in Leipzig geboren und musste 1938 mit der Mutter aus Halle, wo er seine Jugend verbrachte, zu den Großeltern nach Rumänien in die Bukowina fliehen. 1941 wurde er in ein jüdisches Ghetto in der Ukraine deportiert. Hilsenrath überlebte, kehrte in die Bukowina zurück und wanderte 1945 nach Palästina aus. 1947 fand er mit der Familie in Lyon zusammen und ging 1951 nach New York, wo der Hauptteil sowohl von „Nacht“ als auch von „Der Nazi & der Friseur“ entstand. 1975 kehrte er wegen der deutschen Sprache nach Deutschland zurück. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Auszeichnungen im In- und Ausland, darunter den Preis des Präsidenten der Republik Armenien, sowie die Ehrendoktorwürde der Staatlichen Universität Eriwan. Edgar Hilsenrath verstarb am 30. Dezember 2018 im Alter von 92 Jahren in seiner letzten Wahlheimat Wittlich in der Eifel.

Der Preis „Literatur im Exil“

Laudatorin Susanna Amirkhanyan. (Foto: Philipp Rothe)

Der Preis „Literatur im Exil“ wurde 1992 von der Stadt Heidelberg anlässlich des 80. Geburtstages der Ehrenbürgerin und ersten Preisträgerin Hilde Domin gestiftet. Seitdem wird die Auszeichnung alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren. Die Vergabe kann entweder für eine Einzelleistung oder in Anerkennung des Gesamtwerkes erfolgen. Bei ins Deutsche übersetzten Werken kann der Übersetzer oder die Übersetzerin nach Ermessen der Jury bis zu einem Drittel am Preis beteiligt werden. Der Preis ist dotiert mit 15.000 Euro. Zu Ehren Hilde Domins wurde der Preis nach ihrem Tod im Februar 2006 in „Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil“ umbenannt. 2016 wird er erstmals im Rahmen des Programms der UNESCO City of Literature Heidelberg vergeben.
 

Bisherige Preisträger

Neben Hilde Domin erhielten den Preis bisher der Autor SAID, Boris Chasanow und dessen Übersetzerin Annelore Nitschke, Stevan Tontic, Hamid Skif, Sherko Fatah, Oleg Jurjew sowie Abbas Khider.

Die Jury

Mitglieder der Jury des Hilde-Domin-Preises 2016 und 2019 sind

  • Prof. Dr. Axel Dunker (Professor für neuere und neueste deutsche Literaturgeschichte und Literaturtheorie an der Universität Bremen, Leiter des Instituts für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien Bremen), 
  • Hauke Hückstädt (Literaturvermittler, Autor, Literaturkritiker und Leiter des Literaturhauses Frankfurt am Main e. V.), 
  • Ijoma Mangold (Literaturkritiker und Literaturchef der Wochenzeitung „Die Zeit“)
  • Andreas Platthaus (Journalist, Chef des Ressorts Literatur und Literarisches Leben der „FAZ“)
  • Inga Pylypchuk (Journalistin und freie Autorin, Redakteurin für „Die Welt“).

Weitere Infos

www.heidelberg.de/kulturamt