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Greenwashing in Europa

Rede von Robert, Jahrgangsstufe II, VHS-Abendgymnasium Heidelberg

Guten Abend und herzlich willkommen, 

es freut mich, dass Sie mir heute zum Thema Greenwashing zuhören wollen; scheint so, als soll das ein masochistischer Abend für Sie werden. Schämen Sie sich dafür nicht, ich lese selbst ab und zu mal die Stokowski Kolumnen bei Spiegel Online. 

Wollen wir nicht alle eine sichere und vor allem saubere Zukunft? Für uns, für unsere Kinder? Natürlich wollen, zumindest die allermeisten, das. Doch mit dem Klima- oder Umweltschutz ist es wie mit den Neujahrsvorsätzen, weniger Alkohol zu trinken und sich gesünder zu ernähren, während man auf der Silversterparty gerade dabei ist den Sekt zum Jahreswechsel zu entkorken und der Racletteherd auf dem Tisch neben den Chipstüten steht. Auch wenn wir ganz energisch für Klima- und Umweltschutz sind, zum Reisebüro, drei Straßen weiter, um den nächsten New York Urlaub zu buchen, nehmen wir dann doch den Zweitwagen – ist halt doch schneller.

Ist dieses Verhalten schlimm, heuchlerisch, verdammenswert? Nein! Es ist vor allem menschlich.  

Statt wie früher zum Priester in den Beichtstuhl zu gehen, bekennt man heute Grün zu wählen und Friday for future ganz toll zu finden und statt wie früher die wirklichen Sünden stillschweigend per Ablass zu tilgen, kauft man heute Bio und bezahlt  die CO₂-Kompensation: und das nach außen hin auch noch gerne. Aber jetzt mal im Ernst, im Grunde ist das doch klasse; man muss einfach nur einen kleinen Haken unter seine Flugbuchung setzen (lassen) und man hat etwas für's Klima getan. So schön das klingt, so sehr ist das jedoch vor allem ein sich mehr oder weniger bewusstes Blenden lassen. Es ist ein Kulminationspunkt, die Reinform von Greenwashing. Während das Greenwashing des Kunden verständlich und menschlicher Verdrängungskunst geschuldet ist, ist es von Seiten der Verkäufer, sei es die Brauerei, die einem anbietet, den Regenwald gesund saufen zu können, der Ölkonzern, der auch den Regenwald schützen und aufforsten will, wenn wir denn nur genug Sprit bei ihm kaufen, häufig oft auf Profitsteigerung durch Imagesteigerung zurück zu führen oder gut gemeint. 

Anfang Dezember 2021 hat das „Handelsblatt“ seine Recherchen zu dem Thema vorgestellt. Demnach bezahle der Ölkonzern „Shell“ zwischen drei und vier Euro pro kompensierter Tonne CO₂, wofür der Kunde bei der „Ja sagen“-Aktion dann einen Cent zu bezahlen hätte. Das klingt, wie in der Polemik oben angedeutet, erst einmal toll, dass man durch Spritverbrauch dazu beitragen kann das Klima zu schützen oder zu retten, doch wird, wie im Beitrag erwähnt, außer Acht gelassen, dass der Effekt, den der neu gepflanzte Regenwald brächte, damit zunichte gemacht wird, dass womöglich mehr oder zumindest nicht weniger Sprit verbraucht wird und die eigentlich notwendige Reduzierung des CO₂-Ausstoßes ausbleibt. In dem Interview wird zudem auf einen Kritikpunkt aufmerksam gemacht, der von Fachwissenschaftlern angebracht worden sei, dass mit der einmal aufgeforsteten Fläche nicht zwangsläufig eine dauerhafte Kompensation des CO₂ sichergestellt sei, da die Waldflächen einem Brand oder gar (illegalen) Rodungen zum Opfer fallen können. Auch wird von den beiden Journalistinnen im „Handelsblatt“ darauf hingewiesen, dass es kaum eine Instanz gäbe, die überprüfe, ob das bezahlte Geld überhaupt zur CO₂-Kompensation oder anderer klimafreundlicher Ausgaben, wie etwa Solaranlagen, ausgegeben werde. Die „taz“ berichtete in diesem Zusammenhang 2012 davon, dass die Marke hinter der „sauf den Regenwald gesund“-Aktion, Krombacher, nicht nur prüfe, ob die Gelder, die die Brauerei an den WWF zahlt, auch zur Aufforstung des indonesischen Regenwaldes genutzt werden, sondern, dass das Unternehmen auch mehr und mehr dafür sorge, bei der heimischen Bierproduktion darauf zu achten seinen CO₂-Ausstoß bei der heimischen Brauerei zu minimieren. 

Doch Greenwashing funktioniert auch von staatlicher Seite. Hoch gepokert wird dabei von der dänischen Regierung, die Anfang 2022 angekündigt hat, dass die Dänen ab 2025 vornehmlich und ab 2030 vollständig grün im eigenen kleinen Lande fliegen können sollen. Zwar gibt sich die dänische Regierungschefin Frederiksen, mit Verweis auf ihre Industrie und Wissenschaftler, optimistisch, das Ziel einzuhalten, doch sollte sie mit ihrem Vorhaben scheitern, wäre das Projekt im besten Falle als gut gemeint einschätzbar, es wäre ein grünes Versprechen gegeben worden, das so oder überhaupt nicht eingehalten wurde. Nun soll Frau Ministerpräsidentin Frederiksen und ihren dänischen Wissenschaftlern erst einmal gutes Gelingen des Projektes gewünscht werden, denn sollte das klappen, würde gezeigt, dass ein Vorwurf, der den grundsätzlichen Ideen, die zu Greenwashingzwecken genutzt werden oder die zu Greenwashing führen, unnötig ist, nämlich dass es die ganz große (System?-)Chance bräuchte, um halbwegs aus der Klimaapokalypse zu entkommen. Es wäre nämlich fatal auf unsere, ja einander bedingenden Errungenschaften in Sachen allgemeinem Wohlstand und bürgerlichen Freiheitsrechten zugunsten einseitiger Klimapolitik zu verzichten. 

Einen wirklichen oder wirklicheren Fall von Greenwashing finden wir jedoch bei der Tierwohllabel-Initiative der ehemaligen deutschen Landwirtschaftsministerin und Pfälzer Weinkönigin Julia Klöckner. Sich ganz für das Wohl unserer vierbeinigen und gefiederten Leckerbissen einsetzend, schuf sie Klarheit für uns Verbraucher in Deutschland, indem sie ein vierstufiges Label entwickeln ließ. Es soll anzeigen, unter welchen Umständen das Tier, das nun gut gekühlt im Supermarktregal darauf wartet, in einem deutschen Haushalt steinhart, zäh und oder trocken gekocht oder gebraten zu werden und danach mit viel überwürzten Soßen verzehrt zu werden, einst seine Tage glücklich verbringen durfte. Was man im ersten Moment nun für einen quasi öko-sozialistischen Nuklearschlag gegen den deutschen Landwirt halten könnte, war jedoch eine Initiative einer CDU-Ministerin. Noch mal Glück gehabt die deutschen Bauern, oder? Nun ja, Widerstand kam zum einen von dem Koalitionspartner, der SPD, weil das Label rein auf Freiwilligkeit beruht. 

Klar, werden Sie jetzt denken, die Sozen mussten ja irgendwie versuchen Opposition zu spielen bei deren damaligen Umfragewerten. Doch dazu muss ich Sie noch darauf hinweisen, wer noch alles Stellung gegen das Label bezog:  Zum einen das Agrarland Niedersachsen, in dem die CDU zusammen mit dem SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil regiert, zum anderen aber auch der bayrische Bauernverband. Beide forderten und wünschten sich klarere gesetzliche Vorgaben. Ein anderer Aspekt, mit dem die Labelinitiative Kritik auf sich zog, ist noch gar nicht genannt. Diese ging vor allem von Umwelt - und Tierschutzorganisationen aus. Bei dem Label hätte es drei Stufen geben sollen, je höher desto besser für die Tiere. Bei der niedrigsten Stufe jedoch, die ja schon ausgereicht hätte erfüllt zu werden, um das Label auf die Packung drucken zu dürfen und so auf den ersten oder oberflächlichen Blick für Vertrauen zu sorgen, hätten die Tiere lediglich 0,15m² mehr Fläche ohne Stroh zur Verfügung haben müssen, aber immer noch Angst davor, dass ihnen der Schwanz hätte angeschnitten werden können. So berichtete 2019 der Bayrische Rundfunk. 

Doch auch wenn die Wirtschaft in Sachen Klima weiter ist als die Politik, wie die Kritik des Bauernverbandes am Klöckner-Label andeutet, die zumindest gut gemeinten Initiativen von „Krombacher“ oder „Shell“ nahelegen oder der immer wichtiger werdende Anlageaspekt sogenannter „ESG“-Kriterien (Enviromental, Social and Gouvernance) schon deutlicher zeigt, ist auch in Mainhattan und der Wall Street nicht alles Grün auf dem Öko oder eco steht. Mitte 2021, so das „Wall Street Journal“ laut „Manager Magazin“, habe die US-Börsenaufsicht SEC begonnen, Ermittlungen gegen eine Tochter der „Deutschen Bank“, die Fondstochter „DWS“, aufzunehmen, da diese im Verdacht grün zu waschen stehe. Zwar gibt die DWS an, dass externe Untersuchungen keine Mängel ergeben hätten, doch hat sich mit der „Bafin“ auch die deutsche Finanzaufsicht begonnen um den Fall zu kümmern. Ereignet hat sich Folgendes: Im Sommer des Jahres 2020 wurde Desiree Fixler Chefin der Nachhaltigkeitsabteilung der DWS. Ein Posten, der grundsätzlich vielversprechend scheint, da, wie gesagt, grünes Anlegen, ob mit den erwähnten ESG-Standards oder beispielsweise mit sogenannten „Greenbonds“ boomt. Doch Fixler geriet binnen kurzer Zeit mit den Mainhattan Bigwings, den Deutsche Bank Chefs Asoka Wöhrmann und Christian Sewing in Streit, da Fixler die Ansicht vertrat, dass die Fonds der DWS zwar grün aussähen, mehr aber auch nicht. So seien die ökologischen Aspekte zu sehr gepriesen worden. Der Streit in der Führungsetage der Deutschen Bank eskalierte dann derartig, dass Fixler schließlich am 11.3.2021 entlassen wurde, am Tag vor der Veröffentlichung des Geschäftsberichtes. Dass die Vorwürfe Fixlers nicht ganz abwegig zu sein scheinen, deutet auch die ähnliche Kritik Tarik Fancys an dem Vermögensverwalter „Black Rock“ an. 

Einen schönen Schluss zieht Yasmin Osman im „Handelsblatt“ aus der Affäre um die DWS. Sie schlägt, mit Blick auf die Undefiniertheit der ESG-Aspekte, einen „Goldstandard“, wie sie es nennt, für die Branche vor. Das könne Vertrauen schaffen, sodass Anleger wüssten, was grün heißt und wie grün ihr Fond ist. Dieser Vorschlag lässt an die unglückliche Klöckner-Episode denken, doch hat sie Recht. Die Verbraucher, ob vor dem Kühlregal im Supermarkt oder beim Anlegen von Geld, müssen wissen, was sie finanzieren. Sicher heißt das dann nicht, dass alle das tatsächlich bessere - sowohl ökologisch als auch qualitativ - Fleisch kaufen oder in den Fond investieren, der die Solarfirma und das Unternehmen mit den besseren Arbeitsbedingungen in Nairobi beinhaltet. Doch es gibt ihm, dem Verbraucher, die Möglichkeit, sich sicher und guten Gewissens dafür zu entscheiden. Zwingen kann man den Verbraucher am Ende nicht, abstimmen wird er mit seinem Geldbeutel, ob bei der Wahl zu welcher Tür am Kühlregal gegangen wird oder ob und für wen zur Wahl gegangen wird. Eine gute Chance besteht mit Optimismus und finanziellen Stützen zu helfen. Klar würden die Preise steigen, gäbe es einen Boom auf (wirklich) grünes Fleisch, was dann wiederum finanzschwächere Kunden vom Kauf dieses Fleischs abhalten würde. Doch mit Unternehmenshilfen, wie etwa Zinserleichterungen beim Stall- und Hof-Umbau, könnten (dann) mehr Bauern den Schritt wagen umzustellen, was den Marktanteil von „grünem“ und dann auch regionalem Fleisch dem konventionellen gegenüber erhöhen und somit den Preis stabil halten würde. Denn eins ist genauso illusorisch wie die definitive Umsetzung von Neujahrsvorsätzen, dass das Gros der Konsumenten weniger Fleisch isst, mehr Rad fährt oder den Winterurlaub doch lieber in der Jugendherberge im Thüringer Wald verbringt als auf Fuerteventura oder den Malediven. Also doch so etwas wie "Think global - act local".

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.