Jugendliche als Lebensretter
Großübung der Heidelberger Jugendfeuerwehr
Die Sirene heult um kurz nach 14 Uhr los, das Warnlicht beginnt zu blinken: Der Alarm ist ausgelöst. Mit Blaulicht und ohrenbetäubenden Martinshörnern rollen wenig später acht Löschfahrzeuge an, gehen vor und hinter dem Gebäude in Stellung. Heraus springen keine Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen, sondern Jugendliche – Mädchen und Jungen im Alter von zehn bis 18 Jahren: die Jugendfeuerwehr, die bei HeidelbergCement ihre jährliche Großübung abhielt.
Dabei ging es ganz schön realistisch zu, schließlich wird für den Ernstfall geprobt. Zwar sind die Atemschutzgeräte nur Attrappen, aber die „Retter“ müssen sich durch vernebelte Gänge und Räume kämpfen, schreiende und leblose Verletzte bergen. Draußen wird so etwas wie eine Wasserwand aufgebaut, „Riegelstellung“ sagen die Feuerwehrleute, damit die Flammen nicht auf angrenzende Gebäude überschlagen.
Bei der Großübung wurden am Samstag die Abteilungen aus acht Stadtteilen mit an die 80 Mädchen und Jungen alarmiert. Das Szenario, wie der angenommene Brand in der Feuerwehrsprache heißt, spielt im Untergeschoss der Verwaltungszentrale der HeidelbergCement AG in der Berliner Straße.Dort befinden sich im Technikkeller Klimaanlage, Kältetechnik und Heizung. Bei einer Reparatur an einer Kältemaschine ist es zu einer Verpuffung gekommen, die Arbeiter sind von der Wucht der Explosion weggeschleudert worden. Ihre Verletzungen sehen schlimm aus, auch wenn man weiß, dass sie vom Maskenbildner stammen und die Opfer von Maltesern und Mitgliedern der Jugendfeuerwehr gespielt werden.
Inzwischen ist der Einsatzleiter an den Unglücksort vorgedrungen, um zu erkunden: Was ist hier eigentlich passiert, wie groß ist das Ausmaßdes Brandes? Erst dann gehen die Jugendfeuerwehren aus Ziegelhausen, Handschuhsheim, Neuenheim und Wieblingen von der Vorderseite in das teilweise verrauchte Gebäude, die Rohrbacher, Kirchheimer, Altstädter und Pfaffengründer greifen von der Rückseite an.
„Jeder Stadtteil hat eine eigene Jugendfeuerwehr“, erläutert Ralf Schreck, ihr ehrenamtlicher Chef, der die Übung aufmerksam verfolgt. Dort lernen die Jugendlichen spielerisch, was sie für die Einsätze wissen müssen, machen mit bei wöchentlichen Gruppenabenden, bei Zeltlagern, Sportturnieren und Ferienprogrammen; an „ernsten“ Einsätzen teilnehmen werden sie mit 18 Jahren, wenn sie zu den Erwachsen, in die „aktive Wehr“, übertreten.
Am Samstag aber, bei der Großübung, sind die Jugendlichen ganz auf sich gestellt, nur die Feuerwehrautos werden von Erwachsenen gefahren. Jede Fahrzeugbesatzung besteht – wie bei den Großen – aus dem „Angriffstrupp“, der als Erster in das Gebäude hinein geht und Menschen rettet, dem „Wassertrupp“(er legt die Leitung vom Hydranten zum Fahrzeug) und dem „Schlauchtrupp“, der die Schlauchversorgung zum Einsatzort sicherstellt.
„Hier geht voll die Post ab und zu Hause nicht“, meint Elena aus Ziegelhausen. Sie ist 15 und Landesjugendsprecherin. Action und Spaß haben sie bei der Jugendfeuerwehr, das wird von allen Seiten bestätigt. Dorian aus dem Pfaffengrund, ebenfalls 15, ist mit einer weißen Weste als Abschnittsleiter kenntlich gemacht, außerdem überwacht er über Funk den Atemschutz. Ihn reizt „die Aufregung zu erleben“, ihm gefällt „der Zusammenhalt der Mannschaft in solchen Krisensituationen“. Hendrik, der gerade noch als verwirrtes Brandopfer im Schockzustand seine Retter auf die Probe stellte, will Berufsfeuerwehrmann werden. Von ihm wie von anderen Jugendlichen hört man: „Ich will Leuten helfen.“
Dieses ehrenamtliche Engagement in der Freizeit findet auch Oberbürgermeister Eckart Würzner beeindruckend. In einem Grußwort hatte er „gutes Gelingen“ gewünscht und „dass Ihr alle gefährdeten und verletzten Personen rechtzeitig retten mögt“. Das konnte Jugendwart Schreck bei der Schlussbesprechung bestätigen, als es Nudeln und Hackfleisch zur Stärkung gab. Sein Wunsch für die Zukunft: „Macht weiter so und bleibt alle bei der Stange.“
RNZ-Bericht vom 5. September 2011 (Manfred Bechtel)