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Interview mit dem scheidenden Leiter der Feuerwehr Heidelberg, Dr. Georg Belge

Leitete rund 9 Jahre die Feuerwehr Heidelberg, Dr. Georg Belge
Leitete rund 9 Jahre die Feuerwehr Heidelberg, Dr. Georg Belge

Von Dezember 2010 bis zum 31. August 2019 hat Dr. Georg Belge die Feuerwehr Heidelberg, bestehend aus der Berufsfeuerwehr und der acht Abteilungen umfassenden Freiwilligen Feuerwehr, geleitet. Zum 01. September 2019 wird er zur Landeshauptstadt Stuttgart wechseln und dort neuer Leiter von Baden-Württembergs größter Feuerwehr – der Feuerwehr Stuttgart – werden.

Zu seinem Arbeitsende führten wir mit Herrn Dr. Belge ein Interview über seine Zeit in Heidelberg.

Sie sind damals von der Feuerwehr Reutlingen zur Feuerwehr Heidelberg gewechselt.
War es für Sie schwierig hier in Heidelberg Fuß zu fassen und Kontakte zu knüpfen?
 
Es war in der Tat zunächst Neuland. Ja, ich kannte die Stadt und dass es eine Feuerwehr gibt. Näheres über die Feuerwehr Heidelberg war mir aber nicht bekannt.
Trotzdem ging es schnell und unkompliziert sich in Stadt und Feuerwehr einzuleben. Alle waren mir gegenüber offen und sind auf mich zugekommen. Ich habe mich aber auch bewusst nicht hinter der Arbeit verschanzt, sondern war offen für andere und wollte sie kennenlernen.
Diese offene Art hat es mir als Schwabe in der Kurpfalz (lacht dabei) in der Tat einfach gemacht hier schnell anzukommen.
 
 
Können Sie sich noch an Ihren ersten Einsatz in Heidelberg erinnern?
 
Mein erster Einsatz war in der Silvesternacht 2010/11. Ich war auf der Feuerwache um mitzuerleben, wie der Jahreswechsel einsatzmäßig abläuft. Wie ist man organisiert, was passiert, was sind die häufigsten Einsatzarten. Ich wollte bewusst Knackpunkte erkennen, um diese gegebenenfalls auch auf Veranstaltungen oder andere Situationen übertragen zu können.
 
Nachdem die ersten Einheiten unterwegs waren, wurde ein Tiefgaragenbrand im Hüttenbühl gemeldet und ich war plötzlich mit im Einsatzgeschehen. Wir sind mit einem reduzierten Zug ausgerückt, der von der Freiwilligen Feuerwehr verstärkt wurde. Hier war es interessant zu sehen, wie die Zusammenarbeit zwischen Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr abläuft.
 
Mein erster Einsatz als Leitungsdienst war ein Dachstuhlbrand in der Altstadt.
Da das Gebäude und der Straßenzug massiv verraucht waren, habe ich sofort einen weiteren Löschzug in einen Bereitstellungsraum angefordert. Da dies bisher nicht üblich war, fragte die Leitstelle mehrfach nach ob ich das wirklich wollte (lacht).
 
 
Und welchen „Heidelberger Einsatz“ würden Sie als Ihren schwierigsten, emotionalsten bezeichnen.
 
Bewegt hat mich der Brand auf den Hessenhöfen bei dem 21 Kühe starben. Der Einsatz war nicht nur für mich, sondern für alle Kräfte und natürlich für den Landwirt belastend. Die vielen toten Tiere im Stall sowie die geretteten aber auch teils schwer brandverletzten Kühe zu sehen war heftig. Ebenso der Abtransport der Kadaver in die Tierkörperbeseitigungsanlage.
Gleichzeitig war der Einsatz auch technisch schwierig, da es keine unabhängige Löschwasserversorgung vor Ort gab und erst aufwändig aufgebaut werden musste. Als das Wasser der Fahrzeugtanks ausging und wir nicht weiter löschen konnten das war frustrierend und tat weh.
 
Schwierig war auch der Notruf des Innenministeriums im September 2015. Wir bekamen den Auftrag Notunterkünfte für Flüchtlinge aufzubauen, die Busse seien bereits unterwegs. Das war eine enorme Herausforderung, da in der leerstehenden Kaserne vieles nicht mehr funktionierte. Bewegend war dann die Ankunft der Flüchtlinge. Man konnte bei vielen in den Augen Angst, Verzweiflung und Sorge um die Zukunft erkennen. Aber wir waren froh ihnen zumindest eine funktionierende Notunterbringung geben zu können.
 
Dann war noch der Atemschutzunfall in der Hauptstraße. Ein Kollege der Berufsfeuerwehr stützte bei einem Kellerbrand in einen tieferliegenden Kellerraum und verlor seine Atemschutzmaske. Die gesamte Kelleranlage war ein einziges Labyrinth! Ich wurde zur Einsatzstelle gerufen und beide Kollegen wurden bereits im RTW behandelt. Wie geht es Ihnen? Wie geht es weiter? Da musste ich erstmal innehalten und den Kopf freibekommen. Gott sei Dank ist den beiden nicht viel passiert.
 
All die Einsätze zeigen, dass wir Feuerwehrfrauen und –männer täglich unser Leib und Leben für andere einsetzen. Als Führungskraft ist man für sie verantwortlich. Das muss man sich immer wieder klarmachen.
 
 
Was würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen und was ist ihnen nicht gelungen umzusetzen?
 
Mir war und ist ein gutes Verhältnis zwischen Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr wichtig. Beide sind die tragende Säule für den vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz.
Ich freue mich, dass beide Bereiche gestärkt werden konnten. Im Bereich des Fuhrparks haben wir eine mehrjährige Fahrzugplanung erstellt die sukzessive umgesetzt wurde. Bei der Berufsfeuerwehr haben wir jetzt Fahrzeuge die dem aktuellen Stand entsprechen. Auch bei der Freiwilligen Feuerwehr laufen die notwendigen Fahrzeugerneuerungen.
Überhaupt haben wir einen großen Schritt im Sinne der Zusammenarbeit bei Einsätzen, gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit und damit in unserer Außendarstellung gemacht.
Die Neubauten von Feuerwehrhäusern in den Stadtteilen stärken das dortige Ehrenamt und sind wichtig für die Präsenz der Feuerwehr im Stadtteil.
Die Aufstockung des Personals bei der Berufsfeuerwehr ermöglichte zudem eine Verbesserung der Aus- und Fortbildungssituation.
All dies war nur mit der geänderten Organisationsstruktur möglich, die eine Bündelung der Aufgaben und eine personelle Verstärkung in der Aufgabenerfüllung der einzelnen Fachabteilungen ermöglichte.
 
 
Was hätten Sie gerne noch umgesetzt?
 
Leider nicht geklappt hat die Schaffung einer bereichsübergreifenden integrierten Leitstelle. Drei Gebietskörperschaften und der Rettungsdienst unter einem Dach - das wäre ein Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft gewesen. Wir waren hier auf einem guten Weg, leider kam es nicht dazu.
Ich bin mir aber sicher, dass die Kooperation mit dem Rhein-Neckar-Kreis und dem DRK Heidelberg, die ich als offene und verlässliche Partner kennengelernt habe, bei der Bildung einer gemeinsamen Leitstelle klappen wird. Hier würde ich mir wünschen, dass in ein paar Jahren doch eine gemeinsame Leitstelle hier in Heidelberg entstehen wird und die verschiedenen Funktionen und Stellen an einem Ort bündelt.
 
Auch die frühere Erstellung und Beschlussfassung eines Brandschutzbedarfsplanes hätte ich mir sehr gewünscht. Aber die Erstellung ist begonnen und ich hoffe, dass er im Frühjahr 2020 fertig sein wird, so dass die ersten Weichen im Haushalt 2021/22 gestellt werden können. Die Feuerwehr wird Mehrkosten verursachen, da steht fest. Aber so wie die Stadt in allen Bereichen, sei es Wohnen, Wirtschaft oder Forschung wächst, muss auch die Feuerwehr sich anpassen um den Schutz der Bevölkerung, den man von ihr einfordert, auch gewährleisten kann.
 
 
An was werden Sie sich am meisten/gerne aus Ihrer Heidelberger Zeit erinnern?
 
(Lacht) Ich werde mich an vieles erinnern. Die Feuerwehr Heidelberg ist eine tolle Feuerwehr!
Das Miteinander, sei es im Bereich Berufsfeuerwehr oder Freiwilligen Feuerwehr war immer gut und offen. Die Feuerwehr Heidelberg ist eine aufstrebende Feuerwehr. Das sieht man auch an der engagierten Nachwuchsgewinnung. Mit der Kinderfeuerwehr wurde hier ein wichtiger, zukunftsweisender Schritt gemacht.
Aber auch Heidelberg selbst bleibt mir in guter Erinnerung. Heidelberg ist eine schöne und lebenswerte Stadt. Die Menschen sind offen, zuvorkommend und einfach auch nett. Da macht es Spaß hier zu wohnen.
 
Auch die Stadtverwaltung und den Gemeinderat habe ich sehr zu schätzen gelernt. Beide Seiten hatten immer ein offenes Ohr und Verständnis für die Belange der Feuerwehr. Das hat pragmatische Lösungen möglich gemacht.
 
 
Wissen Sie schon welches Projekt Sie in Stuttgart erwartet?
 
Sprichwörtlich ein paar Baustellen. Mehrere Feuerwachen der Berufsfeuerwehr müssen neu gebaut und eine Wache saniert werden. Auch Feuerwehrhäuser von 12 Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr müssen neu gebaut werden. Wir sprechen hier von einem Bauvolumen von rund 400 Millionen Euro in den kommenden 10 -15 Jahren.
 
Dann kommt noch Stuttgart 21. Die Feuerwehr Stuttgart ist für den Brandschutz und die technische Hilfeleistung zuständig. Hier muss ein Einsatzkonzept entwickelt und umgesetzt werden. Die zusätzlichen Tunnelanlagen stellen eine große Herausforderung dar.
 
Wie auch Heidelberg wächst auch Stuttgart. Neue Wohnquartiere entstehen. Dies muss in der Entwicklung der Feuerwehr Stuttgart berücksichtigt werden. Der Grundschutz muss angepasst werden. Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr müssen sich hier weiterentwickeln.
 
Schließlich muss der Haushalt 2020/21 angepackt werden. Hier ist bereits viel Vorarbeit geleistet worden. In den nächsten Wochen muss ich hier reinarbeiten und Gespräche mit der Verwaltung und der Politik führen.
 
Man sieht es wird nicht langweilig!
 
 
 
Herr Dr. Belge vielen Dank für das Gespräch und alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer neuen Aufgabe in Stuttgart!