Nicola Yoon
Als wir Tanzen lernten
Rezension von Sarah
Der Roman „Als wir Tanzen lernten“ von Nicola Yoon aus dem Jahr 2022, in deutscher Fassung erschienen bei cbj, erzählt einfühlsam, fesselnd und herzerwärmend die Geschichte von Evie, die ihren Glauben an die Liebe verloren hat.
Nachdem Evies Vater ihre Mutter betrogen hat, ging die für die 17-jährige unerschütterlich erscheinende Ehe ihrer Eltern zu Bruch. Seither hat Evie sich stark verändert, hält Liebe für Quatsch, wenn sie doch unumgängliche Schmerzen bedeutet.
Dieser Glaube verhärtet sich, als sie feststellt, dass sie plötzlich die Zukunft von Paaren vorhersehen kann, die ausnahmslos aus Entfremdung, Trennungen und Leid besteht.
Nach einer Möglichkeit, diese deprimierende „Gabe“ loszuwerden suchend, gerät Evie in eine Tanzschule, in der sie auf den mysteriösen X trifft, einem typischen Herzensbrecher. Doch mit dem Aufeinanderprallen ihrer Welten und Philosophien, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten und eine unentrinnbare Faszination.
Das Buch ist ein absoluter Pageturner, spätestens nach der ersten Rückblende gelingt es Nicola Yoon, die Leser*innen in ihren Bann zu ziehen. Ihr Schreibstil ist wunderbar flüssig und angenehm, die Charaktere sind lebendig und liebevoll ausgestaltet und die Autorin schafft eine wunderbare Wohlfühl-Atmosphäre mit sich sehr bildlich vor dem inneren Auge abzeichnenden Handlungsräumen.
Vor allem ist aber der Kapitelaufbau bemerkenswert: supplementär zu den klassisch erzählenden Kapiteln gibt es einige gekonnt gesetzte Rückblenden, sowie eingeflochtene Visionen, die Handlungsstränge anteasern und dadurch die Spannung erhöhen. Auch gibt es Kapitel, die nur aus Evies Listen mit Anmerkungen bestehen und die sowohl vertiefte Einblicke in ihr Inneres gewähren als auch eine bessere Identifikation mit der Protagonistin ermöglichen (z.B. „Ehemalige Lieblings-Genre von Liebesromanen“). Besonders abwechslungsreich wird das Lesen zusätzlich durch interessante Chatgespräche Evies mit anderen Figuren.
Zudem ist die Zeitgestaltung sehr gekonnt, sodass sich die Handlung nie zieht, aber auch keine Löcher entstehen und man von Höhepunkt zu Höhepunkt wandert. Auch das Tanzthema ist wunderbar aufgegriffen und eingesetzt worden, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es etwas ausführlicher ausgebaut worden wäre.
Weiter ist die mysteriöse Gabe, die Evie zuteilwird, meiner Meinung nach vollkommen schlüssig eingeflochten. Dieses fantastische Element wirkt keineswegs befremdlich, auch wenn die Gabe bis zum Schluss ein Rätsel bleibt. Doch dies ist notwendig, um so den besonderen Zauber beizubehalten.
Mein einzigen beiden wirklichen Kritikpunkte bestehen darin, dass Evie erstens dem/der Leser*in nicht wie eine 17-jährige erscheint, sondern jünger und weniger reif, sodass ich beispielsweise lange dachte, ihre kleine Schwester wäre deutlich älter als sie, diese wiederum ist nämlich ausgestaltet, als wäre sie etwa 19/20 Jahre alt. Doch das stört nicht großartig, es sorgt lediglich für leichte Verwirrung.
Zweitens erscheint es mir unschlüssig, warum Evie am Ende, um eine Begebenheit zu verhindern, nicht eingreift. An der Stelle fände ich etwas mehr Ausgestaltung wünschenswert. Es scheint etwas, als hätte die Autorin ein Seitenlimit gehabt, das sie nicht überschreiten durfte, was sich aber in diesem Fall, meiner Meinung nach, leicht negativ auf das Werk auswirkt.
Wer auf Grund des Covers und Titels aber annimmt, „Als wir Tanzen lernten“ wäre bloß eine süße Kuschelromanze, liegt falsch. Dies ist das Buch zwar auch, aber vor allem ist der Roman packend und tiefgründig, voll einzigartiger Persönlichkeiten, von denen man sich gar nicht trennen möchte. Das Buch hat mich mit seinem großen Plot Twist auch zum Weinen gebracht und noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Es ist eine Geschichte, die einem das Leben als Geschenk und die Kostbarkeit des Augenblicks deutlich vor Augen führt, sowie die vielen Chancen, die ein jede*r in seinem/ihrem Leben ungenutzt verstreichen lässt. „Als wir Tanzen lernten“ ist ein Roman, der die Herzen weckt und uns daran erinnert, die Zeit, die uns beschert ist, zu nutzen und zu schätzen, uns offener und mutiger werden lässt. Folglich kann ich allen uneingeschränkt nur empfehlen, „Als wir Tanzen lernten“ zu lesen – Es lohnt sich!
Das Buch:
Nicola Yoon
Als wir tanzen lernten
cbj 2022
377 Seiten
ab 13 Jahren
ISBN: 9783570166314
20€