Mit ihrem Buchladen erfüllte sie sich einen Herzenswunsch
Julia Sunderer und die Murkelei
Das Interview führte Literaturscout Sarah
Schon bevor ich das Geschäft betreten hatte, fühlte ich mich ganz heimelig hingezogen zu dem urigen Lädchen, mit dem antik anmutenden, gusseisernen Ladenschild und der großen Fensterfront. Drinnen angekommen versetzte mich die gemütliche Atmosphäre direkt in eine wohlige Schmöker Stimmung und die Anspielung auf die phantastische Welt aus dem Buch “Geschichten aus der Murkelei” erschien mir sofort logisch.
Dank einer Kooperation durfte ich am 30.10.2024 im Rahmen der Heidelberger Literaturscouts Julia Sunderer, die Gründerin und Inhaberin der Kinder- und Jugendbuchhandlung “Murkelei” interviewen und hatte so die Möglichkeit, einen besonderen Einblick in das Leben einer Buchhändlerin zu erhalten.
Sarah: Warum sind Sie denn Buchhändlerin geworden? Welcher Weg hat Sie hierhergeführt?
Julia Sunderer: Zuerst habe ich in Heidelberg Literaturwissenschaften studiert, also Germanistik, Anglistik und Philosophie. Danach stellte sich für mich die Frage, wo denn der Weg hingehen soll und ich habe mich entschieden, nach dem Studium noch eine Ausbildung zur Buchhändlerin zu machen. Zu Beginn war ich in einer allgemeinen Sortimentsbuchhandlung tätig. Der Bereich Kinder- und Jugendbuch hat mir allerdings am meisten Spaß gemacht. Die letzten Jahre vor Gründung der Murkelei war ich dann auch in einer Kinder- & Jugendbuchhandlung als Angestellte tätig, bis ich Ende 2018 hier in Heidelberg schließlich mein eigenes Geschäft eröffnet habe.
Sarah: Und welche Aufgaben umfasst denn Ihre Tätigkeit als Buchhändlerin?
Julia Sunderer: Eigentlich ganz unterschiedliche. Zum einen natürlich den Wareneinkauf, d.h. die Auswahl der Bücher und die Gestaltung der Sortimentsschwerpunkte. Zentraler Bestandteil unserer Arbeit sind zum anderen die Kundengespräche, will heißen, dass man Kund*innen bei der Buchauswahl berät und ausgewählte Titel empfiehlt. Dafür müssen wir selbst natürlich auch viele Bücher lesen. Von den Verlagen bekommen wir zum Glück zahlreiche kostenlose Leseexemplare, sodass wir uns von den Büchern, die wir in der Murkelei verkaufen, einen Eindruck machen können.
Des Weiteren stellen wir Büchertische für Veranstaltungen und sind in Sachen Leseförderung aktiv. Zum Beispiel empfangen wir im Rahmen des Welttags des Buches Schulklassen oder bieten Buchhandlungsführungen für Kindergartengruppen an.
Natürlich ist auch wichtig, dass man das Lager aktuell hält, dass man wichtige Titel immer vorrätig hat. Zweimal im Jahr besuchen uns Verlagsvertreter*innen und stellen aktuelle Neuerscheinungen der jeweiligen Kinderbuchverlage vor. Wir überlegen dann, welche neuen Titel wir in unser Sortiment aufnehmen möchten und welche (älteren) Titel aussortiert werden.
Sarah: Und was passiert mit den Büchern, die Sie nicht behalten?
Julia Sunderer: Das ist eine Besonderheit im Buchhandel: Wenn ein Buch sich über längere Zeit, also etwa sechs Monate lang, nicht verkauft hat, dürfen wir es an die Verlagsauslieferung zurückschicken. Das geschieht eigentlich auch immer zweimal im Jahr, bevor die Verlagsvertreter*innen uns besuchen. Dann gehen wir unser Lager durch, sortieren aus und erhalten gegebenenfalls von den Vertreter*innen Rücksendegenehmigungen.
Sarah: Vor welche Herausforderungen sehen Sie sich denn in Ihrem Berufsalltag gestellt?
Julia Sunderer: Es gibt manchmal Kundenanfragen, die nicht ganz so einfach sind, zum Beispiel wenn nach Büchern gefragt wird, die nicht mehr lieferbar oder nur schwer zu beziehen sind. Außerdem muss man – gerade in Zeiten steigender Kosten – natürlich immer den wirtschaftlichen Aspekt im Blick behalten. Auch hierfür ist eine beständige Lagerpflege und ein gut geplanter Einkauf wichtig.
Sarah: Wenn wir schon von Herausforderungen sprechen, was ist denn das besonders Schöne daran, Buchhändlerin zu sein?
Julia Sunderer: Was mich von Anfang an am Buchhandel gereizt hat, ist, dass man eine Vielfalt an Verlagen hat und dadurch natürlich auch ganz unterschiedliche Buchtitel.
Außerdem ist es schön zu sehen, wenn die Kinder sich über Empfehlungen freuen oder wenn wir positive Rückmeldungen von Eltern oder Großeltern bekommen. Es erfüllt einen mit Freude, Kinder für das Lesen zu begeistern und es ist besonders schön, wenn es bei jenen gelingt, die sich mit dem Lesen eher schwertun.
Auch die Gestaltung des Ladengeschäfts und des Schaufensters, das Dekorieren und Präsentieren von Büchern und passenden Non-Book-Artikeln ist eine schöne kreative Arbeit, die uns viel Spaß macht.
Sarah: Nach welchen Kriterien wählen Sie denn die Bücher aus, die in den Laden kommen?
Julia Sunderer: Natürlich ist es zunächst einmal ein wichtiges Kriterium, ob die Autorin/der Autor oder die Illustratorin/der Illustrator bekannt ist. “Die Schule der magischen Tiere” von Margit Auer muss man einfach vorrätig haben, egal, ob es einem persönlich gefällt oder nicht. Oder auch “Gregs Tagebuch” und Marc-Uwe Klings “Neinhorn”. Aber neben dem Bekanntheitsgrad der jeweiligen Person ist auch das Subjektive ein wichtiges Kriterium. Gefallen uns die Illustrationen, die Covergestaltung, haben wir das Gefühl, die kommen bei den Kindern gut an? Welche Themen werden bedient? Wie ist das Buch aufgemacht? Und beim erzählten Kinderbuch ist natürlich die Geschichte das Zentrale. Wir versuchen in möglichst viele Bücher hineinzulesen, denn uns ist natürlich auch der literarische Gehalt sehr wichtig. Ist das Buch gut geschrieben, sodass Kinder schnell in die Handlung hineinfinden?
Sarah: Und gibt es auch Bücher, die Sie auf keinen Fall in Ihren Laden nehmen würden?
Julia Sunderer: Wenn Bücher diffamierende oder diskriminierende Inhalte enthalten, ist das natürlich ein Ausschlusskriterium. Was wir aber auch wenig bis gar nicht führen, sind Lizenzmarken, also Filmbücher oder Bücher zu Serien, die beispielsweise auf Disney Channel oder Toggo laufen.
Bücher, die uns rein optisch nicht gefallen oder bei denen wir den Text als zu sperrig empfinden, würden wir selbstverständlich auch nicht einkaufen.
Sarah: Warum haben Sie denn einen eigenen Laden aufgemacht?
Julia Sunderer: Schon während meiner Ausbildungszeit habe ich das immer im Hinterkopf gehabt. Einfach selber entscheiden zu können, wie ich meinen Laden gestalten und welche Titel ich dahaben möchte, war schon immer ein Gedanke, den ich schön fand. Diese Entscheidungsfreiheit war mir ein Herzenswunsch.
Sarah: Also haben Sie sich mit dem Laden einen Traum erfüllt?
Julia Sunderer: Ja, das kann man schon so sagen. Aber es hat natürlich auch Jahre gedauert, bis dieser Traum sich dann auch wirklich umsetzen ließ.
Sarah: Wie haben Sie es denn geschafft, sich in der Branche so zu etablieren, dass Sie einen eigenen Laden haben?
Julia Sunderer: Ich glaube, dafür muss man sich gar nicht unbedingt vorher etablieren. Es gibt ja auch viele, die als Quereinsteiger*innen einen Buchladen eröffnen. Aber es war auf jeden Fall hilfreich, zu wissen, wie die Buchbranche funktioniert, was ein Großhändler und was eine Verlagsauslieferung ist, welche Verlagsvertreter*innen einen besuchen, wann der Einkauf der Neuheiten stattfindet usw. Das hat mir sehr geholfen. Ich glaube, es war einfach wichtig, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten und dann zu schauen, ob ein passendes Ladengeschäft frei wird.
Sarah: Haben Sie dann die Murkelei hier in der Plöck eröffnet, weil ein Laden frei geworden ist, oder wussten Sie schon länger, dass Sie gerne hier sein würden?
Julia Sunderer: Mir war klar, dass ein spezialisiertes Geschäft, also eine Spezialbuchhandlung mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendbuch, in der Altstadt am besten funktionieren würde. Deshalb bin ich tatsächlich einfach durch die Stadt gelaufen und hatte das Glück, dass dieser Laden frei wurde. Ich habe den Aushang an der Ladentür gesehen und bin mit der ehemaligen Inhaberin ins Gespräch gekommen. In diesen Räumlichkeiten befand sich ja vorher ebenfalls eine Spezialbuchhandlung, der esoterische Buchladen “Lichtblick”. Die Inhaberin des “Lichtblicks” hat sich gefreut, dass das Ladengeschäft auch in Zukunft eine Buchhandlung beherbergen wird.
Sarah: Gibt es etwas, was Sie abschließend sagen oder all denen, die mit dem Gedanken spielen, selbst eine Buchhandlung zu eröffnen, mit auf den Weg geben möchten?
Julia Sunderer: An dieser Stelle möchte ich von Herzen meinen Mitarbeiterinnen danken, die hier jeden Tag eine tolle Arbeit tun und mit denen die Zusammenarbeit so unglaublich viel Freude macht.
Auch wenn die Zeiten im Einzelhandel momentan sicher nicht ganz einfach sind, möchte ich alle, die in die Buchbranche einsteigen möchten, bestärken, an diesem Vorhaben festzuhalten. Die Branche ist sehr vielseitig und bietet viele Möglichkeiten. Und es ist in jedem Fall ein großes Geschenk, eine eigene Buchhandlung zu haben. Dir, liebe Sarah, vielen Dank für das nette Interview und für dein Interesse an der Murkelei.
Kinder & Jugendbuchhandlung Murkelei
Plöck 46a, 69117 Heidelberg
www.buchhandlung-murkelei.de
Deutscher Buchhandlungspreis 2020
Ausgezeichneter Lesepartner für Kinder- und Jugendliteratur BaWü 2021 und 2023/24