How to Bestsellerautorin

Interview mit Ursula Poznanski

von Literaturscout Sarah

Ursula Poznanski (Foto: Gaby Gerster, Loewe Verlag)
Ursula Poznanski (Foto: Gaby Gerster, Loewe Verlag)

„Ich bin nie zu fröhlich, um einen Mord zu schreiben“
Am 20.01.2025 kam die Bestsellerautorin Ursula Poznanski, die unter anderem die Jugendthriller Erebos, Cryptos und Eleria verfasst hat, in die Filiale der Buchhandlung Schmidt & Hahn in der Heidelberger Hauptstraße, um aus ihrem neusten Roman Scandor vorzulesen. Dabei hatten wir Heidelberger Literaturscouts die Möglichkeit, spannende Einblicke hinter den Kulissen der Autorinnentätigkeit zu erhalten und konnten dank Schmidt & Hahn der Autorin eine Liste mit unseren Fragen geben. Auch hakte das übrige Publikum fleißig nach, sodass wir uns nun ein klares Bild von Poznanskis Arbeit machen können.

Sarah: Frau Poznanski, was ist denn für Sie das Schönste und was das Herausforderndste daran, Autorin zu sein?

Poznanski: Das Schönste ist, dass man seine eigenen Ideen ausleben kann, sich vom eigenen Geschmack leiten lässt, alles allein gestalten kann, wie es einem gefällt. Zwar ist es auch toll, sich die Zeit selber einteilen zu können, aber das braucht schon Disziplin.

Wie kommen denn die Titel für ihre Romane zu Stande?

Poznanski: Für meine Jugendbüchern hat der Loewe Verlag das Konzept, dass die Titel aus nur einem Wort bestehen dürfen, das nicht deutsch ist. So entstand auch der Name und Titel Scandor, er besteht aus den englischen Wörtern „scan“ – das kennt man wahrscheinlich – und „candor“ – das kennt man wahrscheinlich eher nicht und bedeutet Wahrheit. Es wird also die Wahrheit gescannt. So weiß man immer, welches Buch ein Jugendbuch ist, Die Burg zum Beispiel ist keines.

Wenn Sie einen Roman schreiben, wie schreiben Sie ihn? Also schreiben Sie chronologisch und inwieweit wissen Sie schon, was passiert? Wieviel der Handlung entwickelt sich erst im Schreibprozess?

Poznanski: Ich schreibe tatsächlich chronologisch und springe nicht, ganz wichtig ist aber, dass ich mir schon vorher überlege, wie das Ende sein soll und wer was warum gemacht hat. Das wie klärt sich aber erst im Schreibprozess, ich finde, es würde ansonsten die Magie beim Schreiben nehmen. Wenn ich das jetzt als genaue Prozent Anzahl angeben sollte, würde ich sagen, dass etwa 30-40% des Romaninhalts schon davor geplant sind, der Rest entwickelt sich dann.

Wie sieht die Planungsphase für einen Bestseller aus? Wer oder was ist Ihre Inspirationsquelle? Wie schaffen Sie es immer komplett neue Aspekte zu erdenken und darüber solch einmalige Romane zu schreiben?

Poznanski: Ob es ein Bestseller wird, weiß man vorher ja noch nicht, aber die Idee ist quasi wie ein Magnet, der ganz viele Zusatzideen anzieht, ohne dass ich gezielt nachdenke. Da habe ich dann immer so ganz chaotische Dokumente auf meinem Laptop, wo dann irgendetwas steht, von dem ich selbst nicht mehr weiß, was es heißen soll. Wie gesagt, es ist sehr wichtig, schon das Ende zu wissen, aber ansonsten kann alles Inspiration sein. Beispielsweise lese ich manchmal auch Sachen in der Zeitung oder im Internet, die mich auf Ideen bringen. Wenn ich dann aber Fachwissen brauche und recherchiere, frage ich auch beispielsweise bei Krimis einen Ermittler, dem ich dann möglichst vor dem Schreiben alle Fragen stellen kann.

Wie gestalten Sie Ihre Charaktere? Ist da erst die Geschichte, in die die Personen eingepasst werden oder entwickelt sich die Geschichte nach den Figuren? Wie schaffen Sie es, jedes Mal so individuelle Charaktere zu kreieren?

Poznanski: Echte Personen schreibe ich jetzt nicht in meine Romane, das würde mir auch komisch vorkommen, aber ab und an leihe ich mir einzelne Eigenschaften aus. Mit der Geschichte kommen schon automatisch die Figuren und während des Schreibens entfalten sich dann die Stimmen und die Persönlichkeiten, aber wie kann ich nicht richtig beschreiben.

Haben Sie ein Ritual, eine Playlist oder irgendetwas, womit Sie sich jeweils auf ihren aktuellen Roman einstimmen? Inwiefern beeinflusst Ihre Stimmung das, was Sie schreiben?

Poznanski: Ein Ritual habe ich nicht, aber eine Schreibplaylist, die ich eigentlich für alles verwenden kann. Für Die Burg hatte ich sogar eine spezifische erstellt mit ganz viel Gotik und ähnlicher Musik. Aber durch das Lesen von dem, was ich am Vortag geschrieben habe, bin ich eigentlich schon wieder eingestimmt. Und ich bin auch nie zu fröhlich, um einen Mord zu schreiben oder so. Aber klar, wenn es einem mal nicht so gut geht, ist man manchmal nicht so in der Stimmung zu schreiben.

Es ist ja teilweise relativ heftig, was Sie schreiben. Belastet Sie das an manchen Tagen oder sind Sie auch so tief mit Figuren verbunden, dass sie Ihnen sogar leidtun?

Poznanski: Manchmal ist das natürlich schon echt hart, aber nicht unbedingt mental belastend. Wenn ich den Laptop zuklappe, ist dann aber auch gut und die Handlung verfolgt mich nicht irgendwie. Und natürlich schmerzt es mich manchmal, was ich meinen Figuren antue, aber da siegt dann die Geschichte über die Schicksale.

Was machen Sie eigentlich, wenn Sie eine Schreibblockade haben?

Poznanski: Das ist ganz einfach, Schreibblockaden lasse ich nicht gelten. Ich veröffentliche im Jahr zwei Bücher, da geht das einfach nicht.

Inwieweit sind Sie noch mit dem verbunden, was Sie früher geschrieben haben?

Poznanski: Das ist ganz krass, Erebos habe ich ja jetzt vor wirklich einigen Jahren geschrieben, aber ich gehe immer noch daraus vorlesen, dass muss man sich mal vorstellen! Aber es ist auch mein erfolgreichstes Buch, da es öfters von Schulklassen gelesen wird und dann ganze Klassensätze angeschafft werden. Teilweise blättre ich aber auch in ältere Bücher rein, zum Beispiel Saeculum und bin dann so „Ach guck mal, interessant, das hast du geschrieben!“. Aber ich merke, mit Stellen, die ich in der Ich-Perspektive geschrieben habe, bin ich bis heute noch enger verbunden.

Wie stellen Sie Ihrem Verlag Ihre Ideen vor?

Poznanski: Normalerweise schreibt man ja immer Exposés, aber ich hasse das, das kann gar nicht so gut klingen, wie das Buch ist! Ich erzähle meinem Verlag dann immer kurz ganz wenig, weil ich eigentlich am liebsten gar nicht über laufende Projekte spreche, aber mein Verlag ist dann meistens so: „Gut, schreib!“ und die vertrauen mir auch genug, dass ich bei einem Jugendroman keinen Splatter schreibe und so auf 380 – 430 Seiten kommen.

Wie oft lesen Sie Ihren Text, bis Sie ihn dann an den Verlag schicken?

Poznanski: Mindestens dreimal. Jeden Tag, bevor ich weiterschreibe, überarbeite ich nochmal den Vortag und zwischendurch auch nochmal größere Abschnitte. Dazu kommt dann am Ende ein großer Kontrollgang, bei dem ich dann noch eine Liste Dinge habe, die noch passieren müssen oder anders sein sollen. Überhaupt wird vor allem viel angepasst, raus fliegt tatsächlich sehr wenig. Danach kommt das dann zu meinen ein oder zwei Lektorinnen.

Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Poznanski: Ich tue mir sehr schwer mit Lieblingssachen und habe kein Lieblingsbuch und von meinen eigenen ist es immer das aktuelle, in dem ich noch am meisten drinstecke. Das Problem ist, dass ich mich beim Bücher lesen meistens so fühle, als würde ich einen meiner eigenen Texte Korrektur lesen. Deshalb lese ich ganz viel auf Englisch, da ist das nämlich nicht so.

Wird es eine Verfilmung Ihrer Bücher geben?

Poznanski: Tatsächlich ist einiges im Gespräch, fast alle Bücher sind optioniert, was bedeutet, dass eine Filmgesellschaft die Rechte gekauft hat und es stand schon öfter kurz vor der Verfilmung, aber dann hat sich etwas geändert, aber theoretisch wäre es jederzeit möglich. Ich finde das ziemlich gut, weil ich für die Rechte Geld kriege, ohne etwas dafür zu tun, aber ich habe auch überhaupt keinen Einfluss mehr auf das Ganze und eigentlich ist mir keine Verfilmung lieber als eine schlechte Verfilmung.

Wie sind Sie auf die Idee mit dem Lügenthema für Ihren aktuellen Roman Scandor gekommen? Denken Sie, dass Sie selbst es bei dem Wettbewerb schaffen würden, nicht zu lügen?

Poznanski: Nein. Tatsächlich habe ich während des Schreibprozesses eine Zeit lang darauf geachtet, wie oft ich eigentlich lüge und begonnen, jede Aussage gegenzuchecken, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass so Alltagslügen unser menschliches Zusammenleben sehr viel einfacher gestalten. Und ich glaube jetzt nicht, dass ich besonders verlogen bin oder so, aber viele Floskeln gehören einfach zu unserem Miteinander. Genau diese Floskeln und Alltagslügen waren auch die Ursprungsidee. Ich habe irgendwann begonnen mich zu fragen, was geschehen würde, wenn dieses Konstrukt auf einmal nicht mehr funktionieren würde und was das für unseren sozialen Frieden bedeuten würde, quasi als gesellschaftliches Experiment.

Welche Tipps möchten Sie jungen Schreibenden mit auf den Weg geben und wovor würden Sie warnen?

Poznanski: Warnen möchte ich auf jeden Fall vor Bezahlverlagen, Agenturen, die Geld fordern oder Verlagen, die einen die Druckkosten selbst tragen lassen. Das geht gar nicht und die Bücher werden auch nie in einem Buchladen landen. Wichtig ist, und ich kann es nur betonen, sich das Ende des Romans vorher zu überlegen.

Wenn Sie ein Buch fertig geschrieben haben, sind Sie dann eher traurig sich von der Geschichte lösen zu müssen oder sind Sie erleichtert, dass es vorbei ist?

Poznanski: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich über jede Buchgeburt erleichtert bin, da es wirklich sehr viel Arbeit ist.

Die wohl beste Jugend-Thriller Autorin im deutschsprachigen Raum zu sein: Ist das etwas, dass Ihnen Mut gibt, Sie mit Stolz erfüllt oder gibt es auch Momente, in denen Sie einen gewissen Erwartungsdruck verspüren?

Poznanski: Ein bisschen Erwartungsdruck ist natürlich schon da, der Verlag hofft auf einen Platz auf der Bestsellerliste und ich möchte natürlich die Erwartungen der Lesenden erfüllen, aber ich halte das schon aus, das ist jetzt kein richtiger starker Druck.

Da Sie sich besonders mit technischer Innovation und Ihrer zukünftigen Rolle beschäftigen; Inwiefern glauben Sie, dass KI in 50 Jahren die Aufgaben von Autor*innen und generell in der Buchbranche übernimmt?

Poznanski: In 50 Jahren? Keine Ahnung. Ich würde mich aktuell nicht mal trauen, Prognosen für in fünf Jahren zu stellen! Was absehbar ist, da es schon jetzt beginnt ist, dass KI Übersetzer ersetzen wird und auch die Covergestaltung wird schon heutzutage teilweise von KI übernommen. Ich persönlich möchte das nicht, das werde ich auch in meinen nächsten Vertrag schreiben lassen. Aktuell ist es noch so, dass ich etwa sechs Coverentwürfe vorgelegt kriege und dann sagen kann „Vorschlag 1 gefällt mir, Nummer 5 auch, die 4 geht gar nicht“. Was ich aber nicht glaube ist, dass KI Bücher schreiben wird und Autoren vollständig ersetzt, einfach weil die Leserschaft einen Menschen hinter dem Buch haben möchte und aktuell fühlen sich KI-Romane auch noch nicht so menschlich an. Aber ein Beispiel: KI kann eine Ballerina generieren die sich elf, zwölfmal perfekt dreht, aber das ist doch uninteressant, wir wollen viel lieber eine echte Balletttänzerin sehen, die trainieren musste, bei der es nicht schon vorher klar ist, wie sie tanzen wird.

Zu guter Letzt, wann wird Ihr nächster Roman erscheinen?

Poznanski: Im März wird das nächste Buch veröffentlicht, diesmal für Erwachsene und ich bin auch schon damit fertig. Gerade schreibe ich auch schon an dem nächsten Buch und habe Pläne für das übernächste, doch da müssen der Verlag und ich uns noch einigen.

Frau Poznanski, vielen Dank für das tolle Gespräch!
 
Dieses Interview wurde von Ursula Poznanski im Februar 2025 autorisiert.
Herzlichen Dank dafür!

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