Buchrezensionen
Die Heidelberger Literaturscouts tauschen sich nicht nur intensiv über Bücher aus, ihre Leseerfahrungen teilen sie auch in Buchbesprechungen auf Instagram, in Schülerzeitungen und vielerorts mehr.
- Sarah Crossan: Toffee - Wie Glücklichsein von außen aussieht, Carl Hanser, ab 14
- Rachel Griffin: Wild is the Witch, Oetinger, ab 14
- Holly Jackson: The Reappearance of Rachel Price, ONE Verlag, ab 14
- Nina Martin: Lucid Night, Fischer Sauerländer, ab 14
- Lauren Muñoz: Suddenly a Murder, ONE Verlag, ab 14
- Ursula Poznanski: Cryptos, Loewe, ab 14
- Über Ursula Poznanskis Jugendbücher
- Anja Reumschüssel: Über den Dächern von Jerusalem, Carlsen, ab 14
- Lara Schützsack: My Body is a Cage, Fischer Sauerländer, ab 14
- Lara Schützsack: Derselbe Mond, Fischer Sauerländer, ab 11
- Tobias Wagner: Death in Brachstedt, Beltz & Gelberg, ab 14
- K. L. Walther: The Summer of Broken Rules – Als unsere Liebe begann, dtv, ab 14
- Rebekka Weiler: Somebody to Love, Ravensburger, ab 16
- Nicola Yoon: Als wir Tanzen lernten, cbj, ab 13
Berichte & Interviews
Als Heidelberger Literaturscout blickt man hinter die Kulissen, kommt ins tiefergehende Gespräch mit den Profis und entdeckt so einiges in der Welt der Literatur.
- Testteilnehmerin beim Storytelling-Seminar von Lehramtsstudierenden an der PH Heidelberg
- 26 Buchstaben – eine andere Welt: Interview mit Peter-Härtling-Preisträger Tobias Wagner
- Schreibworkshop mit den Profis – Interview mit der Autorin Anne Richter
- Paula Steingäßers Blick – wir Menschen und die Klimakatastrophe
- Lange Nacht der Bibliotheken: Ein literarisches Speeddating mit Bookboyfriends und Seelenschwestern
- Übertreiben ist nur eine Form der Kreativität – Interview mit Lara Schützsack
- How to Bestsellerautorin – Interview mit Ursula Poznanski
- Die Meisterin der Thriller – Begegnung mit Ursula Poznanski
- Wo die Bücher wohnen – Besuch bei der Stadtbücherei Heidelberg
- “Single all the way” - vom Spiegel-Bestseller Nr. 15, der nur geschrieben wurde, um eine Freundin zu ärgern
- Julia Sunderer und die Murkelei: Mit ihrem Buchladen erfüllte sie sich einen Herzenswunsch
Briefe an die Zukunft
Verfasst von Heidelberger Literaturscouts zum Aufruf der UNESCO Cities of Literature anlässlich der Jahreskonferenz 2024 des UNESCO Creative Cities Network im portugiesischen Braga. Die Briefe wurden dort im Rahmenprogramm der Konferenz zum Thema "Bringing youth to the table for the next decade" ausgestellt und verlesen.
Von Franka: Ein Brief für dich, nicht abgeschickt
Liebes Du,
wie geht es Dir? Ich habe in letzter Zeit versucht, mehr Raum für mein Schreiben zu schaffen. Obwohl der Bildschirm öfter mein leeres Gesicht anstelle von meinen Gedanken reflektiert.
Ich fühle mich am Ersticken. Ich vermisse dich. Merkwürdig, wo ich doch nicht weiß, ob Du wirklich existierst. Vermisst Du mich auch?
Willst Du mich auf diese Reise begleiten? Tief hinein in das Labyrinth, das eines Menschen Gedanken sind? Auf Sackgassen treffen und um Hecken rennen, auf dass wir uns in der Mitte treffen?
In einer regnerischen Nacht stolperst Du über Pflastersteine, nach einem langen Tag fühlst Du dich erschöpft, als Du dich bei der Bushaltestelle hinsetzt. Du schaust hoch zum Himmel, keine Sterne, kein Mond, aber Wolken, die das Nachglühen eines Sonnenuntergangs verstecken. Irgendwie ist es schön. Eine Schönheit, die Du größtenteils für selbstverständlich hältst, aber immer noch eine Schönheit. Der Bus kommt nie. Der Himmel verstreut seine träumerische Luft durch die Nacht, mit einer kühlen Brise, die durch Deine Haare fährt und dem Geruch von frühem Sommerregen: Asphalt und Erde, im Wind seufzend.
Du entschließt Dich, nach Hause zu laufen.
Deine Gedanken sind alle miteinander verknäult, Einsamkeit, Wahlen, Populismus, Fluten und Erdöl, Angst und Hass. So viel Hass. Du bekommst davon Gänsehaut, aber was sollst Du tun? Sollst Du ihnen sagen, den anderen, dass sie falschliegen? Hast du überhaupt das Recht zu bestimmen, was Wahrheit und Gerechtigkeit sind?
Während Du die Brücke überquerst, denkst Du über die Wut in dir nach. Die Wut in allen. Die Erschöpfung, die Dich herunterzieht, die Hoffnungen, die Dich jeden Tag aufstehen lassen.
Der Fluss ist verschwommen, schau nicht zu tief hinein, sonst siehst Du Dinge, die Du noch nicht sehen willst.
Weil Du weitermachst. Du willst nicht scheitern. Aber es ist so leicht, oder? Du stolperst, vielleicht, weil Du für einen Moment nicht aufmerksam warst, vielleicht, weil Dich jemand geschubst hat; Du scheiterst.
Die Straßenlaterne flackert, aber es sind immer noch Lichter um Dich herum. Die Reklamen von Hotels und Supermärkten, beleuchtete Fenster, illustriert durch eine Pflanze auf der Fensterbank oder eine Familie beim Abendessen. Vor einem Restaurant teilen sich zwei Menschen eine Zigarette, Worte murmelnd in einer Friedfertigkeit, die scheinbar nur Raucher besitzen. Graue Wolken schweben hoch in den Nachthimmel.
Der Regen fällt stärker, die Welt in Pfützen ertränkend.
Wenn wir uns in diesem Moment begegnen würden, würdest Du mir in die Augen sehen und die Frage dahinter erkennen?
Wirst Du meine Hand nehmen, mit mir nach dem Ausgang suchen?
Bist Du meine Zukunft?
Franka
Dear you,
how are things going? I’ve been trying to make more room for my writing. Although the monitor reflects my blank face way more often than my thoughts.
I feel suffocated. I miss you. It’s quite strange, since I don’t even know if you actually exist. Do you miss me too?
Would you join me on this journey? All down into the labyrinth that is one’s mind, face dead-ends and run around hedges, to meet in the middle?
On a rainy night, you stumble over the cobblestones, after a long day, you feel drained as you sit down at the bus stop. You look up at the sky, no stars, no moon, but clouds hiding the afterglows of a sunset. In a way, it’s beautiful. A beauty you take for granted mostly, but a beauty nevertheless.
The bus never comes. The sky spreads its dreamy air around this night, with the cool breeze running through your hair and the smell of early summer rain: Asphalt and earth, sighing in the wind. You decide to walk home.
Your thoughts are all tangled up, loneliness, elections, populism, floods and fuel, fear and hate. So much hate. It makes your skin crawl, but what can you do? Tell them, the others, that they’re wrong?Do you even have the right or the power to claim truth, justice?
As you cross the bridge you think about this anger inside of you, inside of everyone. The exhaustion dragging you down, the hopes making you stand up every morning.
The river’s a blur, look too deep and you’ll see things you don’t want to face just yet.
Because you’re still going. You don’t want to be a failure. Me too, but it’s so easy, isn’t it? You trip, maybe because your attention shifted for just a moment, maybe because someone shoved you; you fail.
The streetlamp flickers, but there are still lights around you. The signs of hostels and supermarkets, lit windows showcasing a plant or a family eating dinner. Two people sharing a cigarette in front of a restaurant, mumbling words in a peacefulness only smokers seem to manage. Puffs of grey float around them, up into the night sky.
The rain drops down harder, drowning the world in puddles.
What if we met at this point, at the middle of this labyrinth, would you look into my eyes and see the question behind them?
Will you take my hand and find the exit together?
Are you my future?
Franka
Von Lilli: Dear future ...
Dear future exams,
Please don't be too hard on me. I need to pass to make my family proud. I need to relax, not stress myself out every day in fear that I might fail. I need you to make sure I pass.
Dear future job,
Please make me happy. Make me go to you because I want to and have fun with you. Make me able to support myself and my future family. Make me a woman who is proud to work there.
Dear future husband,
Please let me see what it feels like to be truly loved. Let me see how it feels to be cared for, to be understood, to be encouraged. Let me see how it feels to be safe.
Dear future family,
Please let me see you regularly. Let us keep in touch, let us go on family trips. Let us call each other at least once a week and be honest with each other.
Dear future self,
Please forgive me for asking others to solve my problems when it is me who should be dealing with them. Please forgive me for stressing so much when it is I who needs to relax. Please forgive me for asking my unknown future for favours when it is I who must write my own destiny.
Lilli
Von Mariann: Liebes zukünftiges Wesen
Liebes zukünftiges Wesen,
ich schreibe Dir aus einer Zeit, die für Dich längst vergangen ist und vielleicht schon vergessen wurde, für mich jedoch die Gegenwart ist.
Die Welt, in der ich lebe, durchläuft gerade einen sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Wandel. Es herrscht viel Unruhe. Kriege entstehen, ganze Gesellschaften werden ausgegrenzt und Menschen müssen für ihre Rechte und Freiheit kämpfen.
Der Klimawandel schreitet unaufhaltsam voran. Kontinente drohen unter dem steigenden Meeresspiegel zu versinken, und die steigenden Temperaturen machen viele Regionen tagsüber nahezu unbewohnbar.
Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) schreitet ebenfalls rasant voran und übernimmt immer mehr Bereiche unseres Lebens. Sie können mittlerweile Aufgaben übernehmen, die wir einst für unmöglich hielten.
Ob diese Entwicklung gut oder schlecht ist, steht außer Frage, denn der Fortschritt ist unvermeidlich und nicht aufzuhalten.
Es ist faszinierend, sich vorzustellen, wie die Welt in einer Million Jahren aussehen könnte, nicht nur in Bezug auf ihr Aussehen, sondern auch auf kulturelle und soziale Strukturen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Die Erde wird sich drastisch verändern, und alles wird sich neu anpassen müssen. Vielleicht werden einige Kontinente unbewohnbar, und die Menschheit besiedelt weit entfernte Planeten. Neue Tierarten, die noch anpassungsfähiger sind als wir, könnten entstehen, sich entwickeln und besser überleben.
Technologische Fortschritte werden unsere aktuellen Vorstellungen weit übertreffen. Vielleicht ist die Künstliche Intelligenz in Deiner Zeit so weit fortgeschritten, dass sie unsere täglichen Aufgaben übernimmt und uns sogar vollständig ersetzen kann.
Vielleicht zeigt sie uns auch virtuelle Welten, die so faszinierend sind, dass wir die reale kaum noch betreten möchten. Schon heute fliehen viele Menschen in virtuelle Realitäten, um dieser Welt für einige Zeit zu entkommen.
Trotz aller bevorstehenden Veränderungen hoffe ich, dass wir unser Menschsein nicht verlieren. Die Liebe, die Kreativität, die Suche nach Wissen und das Gefühl der Zugehörigkeit sind Eigenschaften, die keine KI ersetzen kann und uns verbindet.
Viele Grüße von dem Wesen aus der Vergangenheit ^^
Mariann
Dear future being,
I am writing to you from a time that for you is long gone and perhaps already forgotten, but for me it is the present.
The world in which I live is currently undergoing social, economic and technological change. There is a lot of unrest. Wars are started, entire societies are being marginalized and people have to fight for their rights and their freedom.
Climate change is progressing and unstoppable. Continents are threatend to sink under rising sea levels and rising temperatures are making many regions almost uninhabitable during the day.
The development of artificial intelligence (AI) is also progressing rapidly and is taking over more and more areas of our lives. They can now perform tasks that we once thought impossible.
Whether this development is good or bad is beyond questioning, because progress is inevitable and unstoppable.
It is fascinating to imagine what the world could look like in a million years' time, not only in terms of its appearance, but also in terms of cultural and social structures.
There are no limits to the imagination.
The Earth will change drastically and everything will have to adapt. Perhaps some continents will become uninhabitable and humanity will colonize distant planets. New animal species that are even more adaptable than we are could emerge, evolve and survive better.
Technological advances will far exceed our current expectations. Perhaps in your time, artificial intelligence will be so advanced that it will take over our daily tasks and even replace us completely.
Perhaps it will also show us virtual worlds that are so fascinating that we will hardly want to enter the real one. Many people are already fleeing into virtual realities to escape this world for a while.
Despite all the impending changes, I hope that we will not lose our humanity. Love, creativity, the search for knowledge and a sense of belonging are qualities that no AI can replace and that unite us.
Greetings from the being from the past ^^
Mariann
Von Ronja: Liebe Zukunft
Liebe Zukunft,
ich hoffe, du hast dich verändert. Zum Guten. Natürlich wirst du nicht perfekt werden oder je perfekt sein. Das ist okay solange nicht jeder Angst hat, wenn er an dich denkt. Denn ich habe oft Angst, wenn ich an dich denke.
Aber vielleicht gehört das auch dazu? Ich weiß, dass du zu jedem anders bist … Ich höre von vielen Leuten, dass du gemein zu ihnen bist. Wirst du auch zu mir gemein sein?
Ich hoffe wirklich, dass du dich änderst. Selbst wenn es nur ein bisschen ist. Ich weiß, dass du dich schon so oft verändert hast. Natürlich liegt das nicht nur an dir, sondern auch an den Menschen um dich herum.
Ich denke, dass du genau wie alle Menschen, probieren solltest die zu finden, die du magst. Die gut für dich sind. Vielleicht änderst du dich dann nach einer Weile nicht mehr so oft. Ich weiß, dass das nicht wirklich passieren wird. Du bist zu wild, zu unberechenbar und vielleicht ist das auch etwas Gutes?
Aber irgendwie tust du mir auch leid. Denn wenn schon die Hälfte der Menschen – so wie ich – Angst hat, wenn sie an dich denkt, dann … hast du vielleicht selbst Angst vor dir? Wenn du das hier liest, fühlst du dich vielleicht schlecht. Deswegen dachte ich, ich erzähle dir mal, was ich toll an dir finde.
Ich finde es toll, wie du mich träumen lässt. Du bist niemand, der einen genauen Plan hat. Du bist frei und lässt mir auch Platz zu träumen. Ich kann mich dir vorstellen, wie ich will, bis ich dich endlich treffe. Und vielleicht ist das genauso gut wie es schlecht ist.
Was noch schön an dir ist, ist, dass du mich motivierst. Zum Beispiel will ich wegen dir gut in der Schule sein. Ich will Sport machen, damit ich, wenn ich dich treffe, sportlich bin. Das mit dem Sport klappt zwar nicht so gut, aber hey, es dauert ja noch bis ich dich treffe.
Obwohl - wann bist du eigentlich? Morgen ist schließlich auch schon Zukunft. Aber für mich bist du nach meinem Schulabschluss, weil das etwas ist, was ich mir nicht wirklich richtig vorstellen will und es so weit weg aussieht. Aber hey. Ich freue mich, dich dann zu treffen. Ich freue mich zu sehen, wie wir – du und ich – uns verändert haben.
Bis dann,
Ronja
Dear future,
I hope you have changed. For the better. Of course, you won't become perfect or ever be perfect. That's okay as long as everyone isn't scared when they think about you. Because I'm often scared when I think about you.
But maybe that's part of it? I know you're different to everyone ... I hear from a lot of people that you're mean to them. Will you be mean to me too?
I really hope you change. Even if it's just a little bit. I know you've changed so many times. Of course, it's not just you, but also the people around you.
I think that just like all people, you should try to find the ones you like. The ones that are good for you. Maybe then you won't change so often after a while. I know that's not really going to happen. You're too wild, too unpredictable and maybe that's a good thing?
But somehow, I also feel sorry for you. Because if half the people are scared - like me - when they think about you, then ... maybe you're scared of yourself? If you're reading this, you might feel bad, so I thought I'd tell you what I think is great about you.
I love the way you let me dream. You're not someone who has a precise plan. You are free and you allow me to dream. I can imagine myself with you however I want until I finally meet you. And maybe that's just as good as it is bad.
Another nice thing about you is that you motivate me. For example, I want to do well at school because of you. I want to do sport so that when I meet you, I'm sporty. The sports thing isn't working out so well, but hey, it'll be a while before I meet you.
Although when are you actually going to be here? Tomorrow is the future, but for me you'll be here after I finish school, because that's something I don't really want to imagine, and it seems so far away. But hey. I'm looking forward to meeting you then. I'm looking forward to seeing how you and I have changed.
See you then,
Ronja
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