Hilde-Domin-Preis
für Literatur im Exil
Die Stadt Heidelberg stiftete 1992 anlässlich des vermeintlichen 80. Geburtstags der Ehrenbürgerin und ersten Preisträgerin Hilde Domin (1909-2006) den Preis "Literatur im Exil". Aus Anlass des Todes von Hilde Domin wird der Preis seit 2006 zu ihrem Gedenken als "Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil" vergeben.
Die Auszeichnung wird alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren. Die Vergabe kann entweder für eine Einzelleistung oder in Anerkennung des Gesamtwerkes erfolgen. Bei ins Deutsche übersetzten Werken kann der Übersetzer oder die Übersetzerin nach Ermessen der Jury bis zu einem Drittel am Preis beteiligt werden. Der Preis ist dotiert mit 15.000 Euro.
2019 wurde der Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil an Natascha Wodin verliehen
Bürgermeister Dr. Joachim Gerner überreichte den Preis am 3. Dezember im Heidelberger Rathaus. Die Jury erklärte in ihrer Begründung: „Das Werk der deutschen Autorin Natascha Wodin ist durchwirkt von Erfahrungen des Fremdseins, der Entfremdung, des Befremdens. Und es ist zugleich ein Werk, das von der Rettung durch Sprache gezeichnet ist. Natascha Wodin lernt als Kind eines Russen und einer Ukrainerin die deutsche Sprache und behauptet sich durch sie. (…) Wodin hat mit den zuletzt erschienenen Romanen in einer einfachen, klarsichtigen Sprache eine überfällige Erzählung gestiftet für das Schicksal von Millionen sowjetischen Zwangsarbeitern in Deutschland.“

Bürgermeister Dr. Joachim Gerner nannte den Hilde-Domin-Preis einen wichtigen Baustein der Literaturförderung, die Heidelberg als einzige UNESCO-Literaturstadt in Deutschland fortsetzen und nach Möglichkeit weiter intensivieren wolle. Der Domin-Preisträgerin dankte Gerner für ihren schriftstellerischen Einsatz und Mut: „Als Schriftstellerin setzen Sie sich in ihren Büchern mit den verheerenden Geschichtsumbrüchen des 20. Jahrhunderts und Themen wie Entwurzelung, Fremdheit und Ortlosigkeit auseinander. Fragen und Aspekte, die aufs Engste mit Ihrer persönlichen Geschichte verknüpft und verwoben sind.“
Der Osteuropa-Historiker und Schriftsteller Professor Karl Schlögel beschrieb Natascha Wodin in seiner Laudatio (447,5 KB) als eine Autorin, deren Verankerung in einer schmerzlich erlittenen Herkunft dafür sorge, dass sie die Welt mit anderen Augen erblicke. Ihr gesamtes Schreiben, resümierte Schlögel, kreise um das Thema Verlust. „Man könnte am Ende dieser Reise durch die Welt der Natascha Wodin zum Schluss kommen, es drehe sich alles um die Ambivalenz eines Doppellebens, Fremd in der Heimat, beheimatet im ‚ewigen Exil‘. Man könnte von der Selbstreflexion einer zwischen zwei Kulturen stehenden und sich nirgendwo zuhause fühlenden Existenz sprechen. Aber, soweit ich sehe, kreist alles Schreiben der Natascha Wodin um Verluste, um unersetzliche Verluste, um den Tod – und darum, wie man mit ihm fertig wird. Und das geht weit über die Reflexion einer komplizierten deutsch-russischen Identität hinaus“, sagte Schlögel.
Natascha Wodin, 1945 als Kind sowjetischer Zwangsarbeiter in Fürth/Bayern geboren, wuchs erst in deutschen DP-Lagern auf (Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung sogenannter Displaced Persons nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs), dann, nach dem frühen Tod der Mutter, in einem katholischen Mädchenheim. Ihr Werk wurde unter anderem mit dem Hermann-Hesse-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis und dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet, für „Sie kam aus Mariupol“ bekam sie den Alfred-Döblin-Preis, den Preis der Leipziger Buchmesse und den August-Graf-von-Platen-Preis verliehen. Natascha Wodin lebt in Berlin und Mecklenburg.
Die bisherigen Preisträger/innen
- 2016 Edgar Hilsenrath
- 2013 Abbas Khider
- 2010 Oleg Jurjew
- 2007 Sherko Fatah
- 2005 Hamid Skif
- 2001 Stevan Tontic
- 1998 Boris Chasanow und Annelore Nitschke (Übersetzerin)
- 1996 SAID
- 1992 Hilde Domin