Wozu Beratung?

Homo-, Bi- und Transsexualität sind keine Krankheiten. Leider erleben lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und transgender Menschen als Minderheit in der Gesellschaft immer noch Belastungen. Dies gilt auch für intersexuelle, intergeschlechtliche Menschen und Menschen, die sich jenseits der Zweigeschlechtlichkeit, a- oder nicht-binär verorten.
Diese Belastungen sind nicht für alle gleich herausfordernd und die Lebenssituation kann auch Vorteile mit sich bringen: z.B. kann das durch ein Coming-out gewonnene Selbstbewusstsein helfen, auch in anderen Lebensbereichen eigene Lösungen zu finden und sich aus traditionellen Mustern zu lösen.
Belastungen können zum Beispiel in folgenden Situationen entstehen:

  • In der Jugendzeit gibt es meist weit und breit niemanden, um sich glücklich zu verlieben. 
  • Niemand hilft dabei, mit den verwirrenden Gefühlen zum eigenen Körper oder zu Menschen des eigenen Geschlechts klar zu kommen.
  • Häufig belasten Erziehungspersonen ihre nicht normgerechten Kinder mit ihren Ängsten vor Nachbarn und anderen Familienangehörigen.

Aber auch nach den ersten grundlegenden Schritten des lebenslang andauernden Coming-outs stellt das Leben als lsbttiq Mensch immer neue Herausforderungen:

  • Oute ich mich bei der Arbeit?
  • Wie komme ich mit der Szene/Community zurecht?
  • Wie kann ich eine glückliche Liebesbeziehung führen?
  • Wie komme ich zu mehr Selbstbewusstsein? usw.

In der Szene kann es als ’uncool’ gelten, solche Probleme zu haben, man kommt besser an, wenn man attraktiv und gut drauf ist. Es kann daher Überwindung kosten, die Fragen und Sorgen mit jemandem zu besprechen.

Eine weitere Hürde im Blick auf Beratung und Therapie kann sich daraus ergeben, dass viele lsbttiq Menschen den „Psycho-Fachleuten“ ziemlich reserviert gegenüberstehen – und das mit gutem Grund. Es ist noch nicht so lange her (bis in die siebziger Jahre hinein), dass schwule und bisexuelle Männer mit Stromstößen darauf dressiert wurden, Bilder von nackten Männern nicht mehr attraktiv zu finden. Lesbische Frauen sollten sich durch verhaltenstherapeutische Belohnungssysteme an die Rolle als heterosexuelle Frau gewöhnen. Das ist vorbei, und seit Anfang der neunziger Jahre gilt in Homosexualität in der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation nicht mehr als psychische Störung. 2018 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation ihr neues System zur Klassifikation von Diagnosen im Bereich der psychischen Erkrankungen, das im Mai 2019 verabschiedet wurde und mit dem Jahr 2022 in Kraft treten wird. Transgeschlechtlichkeit wird hier erstmals nicht mehr als Krankheit erfasst. Auch die aktuellen deutschen Leitlinien „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit“ zu Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen trans* Menschen (veröffentlicht ebenfalls 2018) haben die Krankheitszuschreibung überwunden. Trotz verschiedener Bemühungen sind intersexuelle, intergeschlechtliche Neugeborene und Kinder nach wie vor Opfer nicht medizinisch notwendiger Operationen.
Allerdings lernen nach wie vor die meisten, die heute einen medizinischen oder psychosozialen Beruf studieren, in ihrer Ausbildung wenig bis nichts über lsbttiq Lebensweisen und die spezifischen Entwicklungsaufgaben, denen lsbttiq Menschen gegenüberstehen. Es kann also durchaus passieren, dass man „Fachpersonal“ begegnet, das keinerlei Erfahrung mit dem Thema hat und das daher auf private Einstellungen und Erfahrungen zurückgreift. Aber auch erfahrenes und geschultes Fachpersonal ist vor einseitigen heteronormativen Vorannahmen keineswegs gefeit.
Psychologische Beratung und Therapie muss jedoch Entfaltungsraum zur Verfügung stellen, in dem das eigene Geschlecht, die eigene geschlechtliche Identität sowie die eigene sexuelle Orientierung und Identität akzeptiert und nicht in Frage gestellt oder abgewertet werden.
 
Deshalb gibt es PLUS: Eine psychologische community-basierte Beratungsstelle von Menschen aus der lsbttiq Community für die Menschen der lsbttiq Community.

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